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Es war einmal eine Familie

Es war einmal eine Familie

Titel: Es war einmal eine Familie
Autoren: Lizzie Doron
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Söhne eingezogen. Berl leistete seinen Reservistendienst als Busfahrer. Sein älterer Sohn, der Pilot, flog zum Sinai, der jüngere, ein Panzeroffizier, wurde auf die Golanhöhen abkommandiert.
    Berl bat darum, den Autobus fahren zu dürfen, mit dem sein Sohn auf die Golanhöhen gebracht werden sollte. Der Offizier, dem er seine Bitte vortrug, klopfte ihm auf die Schulter und wünschte ihm eine gute Fahrt, und sie machten sich auf den Weg.
    Am Abend nach Jom Kippur, in der Dunkelheit einer Kriegsnacht, überschlug sich der Bus auf einer unbefestigten Straße.
    Josef Rafael war tot.

    Die Stille der Nachmittagsstunden wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen. Bezalel, der Teerer des Viertels, rief an, um sein Beileid auszudrücken, und bat bei dieser Gelegenheit darum, die Rechnung für das letzte Teeren des Dachs zu bezahlen. Eine Freundin Helenas, die ich nie getroffen hatte, rief an und fragte, was aus der Wohnung und dem Inventar werden würde, ihr Sohn sei dienstlich im Ausland gewesen und gerade zurückgekehrt, und eine höfliche junge Frau, die sichals Chagit vorstellte, wollte mit Helena sprechen. »Wir führen eine Umfrage zu Snacks durch«, erklärte sie und fragte: »Vielleicht wissen Sie, wann ich Frau Helena am besten erreichen könnte?«
    Ich fuhr fort, die Wohnung auszuräumen und Sachen zusammenzupacken.
    Ich holte eine alte Tasche aus dem Kleiderschrank und packte die Erbschaft hinein.
    So fanden die Schätze meiner längst vergangenen Kindheit in der Tasche Platz. Ein Ring, dessen Stein, ein Aquamarin, schon vor meiner Geburt verlorengegangen war und von dem ich immer geglaubt hatte, daß ich ihn eines Tages finden und meiner Mutter als Überraschung mitbringen würde. Neben den Ring legte ich, in Zeitungspapier gewickelt, den angeschlagenen Porzellanbecher, der aus Polen stammte und aus dem meine Mutter jeden Morgen Kaffee getrunken hatte. Es folgten ein Gedichtband von Adam Mickiewicz auf polnisch, den ich am Fußende ihres Bettes gefunden hatte, und mein alter Teddybär, dem ein Auge fehlte. Ich klopfte den Staub aus seinem Fell und hoffte insgeheim, daß auch meine Kinder mit dem Teddy spielen würden, den ich als Kind so geliebt hatte. In eine kleine Tüte steckte ich die brüchigen Fotos der Menschen, die vielleicht Verwandte waren, und Dokumente, und von den Regalen meines Zimmers räumte ich nacheinander Hefte, Schulbücher und alte Fotoalben.
    Adam und Chajale kamen herein.
    »Es ist soweit«, sagte Chajale aufgewühlt, »jetzt brauche ich einen Kaffee.«
    Adam lief in den Zimmern herum. »Ihr habt eine schöne Wohnung«, sagte er, und seine Stimme erweckte Judale wieder zum Leben. »Es ist eine gute Wohnung für eine kleine Familie«, stellte er fest.
    Dann erzählte er: »Wir waren erst bei der Metzgerei von Opa,dann sind wir zur Schule gegangen, zu Efraims Lebensmittelladen, zum Gemüseladen von Onkel Ruben, zur Krankenkassenambulanz, zur Post und zu Sajtschiks Friseursalon.«
    Chajale nahm eine Zigarette aus der Schachtel.
    »Überall hat sie die Menschen von früher gesucht«, sagte Adam, »aber die waren nicht mehr da, und dann hat sie mir den Autobus gezeigt, der euch zu einem Ausflug durch Tel Aviv gefahren hat, danach das Haus von Tante Zila und ganz am Schluß ihr eigenes Haus.« Aufgeregt fügte er hinzu: »Ich habe durch das Fenster geschaut und das Zimmer von ihr und Judale gesehen.«
    Chajale sank in den alten Sessel, bat um einen Aschenbecher und zündete ihre Zigarette an.
    »Ich habe solche Sehnsucht«, brach es aus ihr heraus.
    Genau in diesem Moment bemerkte Adam das alte Spielzeug auf einem Regalbrett. »Darf ich damit spielen?« fragte er höflich.
    Ich holte die Spielsachen sofort herunter und legte sie auf den Fußboden. Einen Moment lang sah das Zimmer aus wie vor dreißig Jahren. Chajale und ich erklärten Adam begeistert, was das ist, ein Kreisel, und rekonstruierten die Regeln vom Fünf-Steine-Spiel. Aufgeregt öffneten wir die halb kaputte Monopoly-Schachtel und suchten in den Schubladen nach dem fehlenden Würfel von Mensch-ärgere-dich-nicht. Aber Adam war hingerissen von dem bunten Mikadospiel.
    »Du kannst ruhig mit ihr Kaffee trinken«, teilte er seiner Mutter mit und setzte sich auf den Boden.
    Als ich aus der Küche zurückkam, spielte Adam voller Begeisterung Mikado und verkündete laut seine Triumphe. Chajale blätterte in den alten Schulbüchern, in denen Nasser immer noch ägyptischer Staatspräsident war, der Staat Israel noch drei Millionen
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