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Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Titel: Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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hier.«
    »Vater, ich fürchte mich nicht,« sagte der unerschrockene Knabe; »wir sind aber auf einer wundersamen Höhe.«
    Das Kind blickte mit freudigen Augen rund umher. Der frische Wind blies ihm die lockigen Haare aus dem Gesicht, und seine Wange glühte bei der gränzenlosen Aussicht; denn der Thurm stand auf dem hohen Vorgebirg, auf welchem Herkules eine seiner Säulen aufgerichtet hatte. Tief unten hörte man die Wellen des Meeres an die Felsen schlagen, die Seemöve kreis’te schreiend um das Fundament des Thurmes, und die Segel mächtiger Lastschiffe zeigten sich blos wie Flecken auf dem Schoos des Meeres.
    »Kennst du jenes Land drüben über dem blauen Wasser?« fragte Yuza.
    »Es ist Spanien,« versetzte der Knabe; »es ist die Heimath meines Vaters und meiner Mutter.«
    »Dann strecke deine Hände aus und segne es, mein Sohn!« sagte der Astrologe.
    Der Knabe ließ den Stein, an welchem er sich gehalten, los, und wie er seine Hände ausstreckte, nahm der alte Sohn Ismaels alle Kräfte seiner erschlafften Glieder zusammen und stieß ihn plötzlich über die Zinnen hinab. Er stürzte häuptlings von der Höhe dieses ungeheuern Thurmes, und jedes Glied seines zarten Körpers wurde an den Felsen drunten zerschmettert.
    Alahor kam an den Fuß der Wendeltreppe.
    »Ist der Knabe geborgen?« rief er.
    »Er ist geborgen!« versetzte Yuza; »komm und überzeuge dich mit deinen eigenen Augen.«
    Der Emir stieg den Thurm hinauf und blickte über die Zinnen und sah die Leiche des Kindes, eine formlose Masse, tief unten auf den Felsen, und die Seemöven hatten sich darauf gesetzt; und er gab Befehl, die zerschellten Glieder in das Meer zu werfen, was geschah.
    Am nächsten Morgen wurde die Gräfin aus ihrem Gefängniß auf den öffentlichen Platz geführt. Sie kannte den Tod ihres Kindes und wußte, daß auch ihre letzte Stunde zur Hand war; sie weinte aber nicht und flehte nicht. Ihr Haar war aufgelös’t, und ihr Auge hohl vom Wachen, und ihre Wange war wie ein Leichenstein; dennoch sah man noch in ihrem Antlitz die Spuren gebieterischer Schönheit, und das Majestätische ihrer Erscheinung flös’te selbst dem großen Haufen Achtung ein.
    Eine Menge christlicher Gefangenen wurden jetzt herbeigebracht, und Alahor rief:
    »Schaut hier das Weib des Grafen Julian – schaut eine aus jener verrätherischen Familie, welche das Verderben über euch und euer Vaterland gebracht hat!«
    Und er befahl, sie sollten sie steinigen. Aber die Christen wichen mit Schauer vor einer solchen That zurück und sagten:
    »Gott ist die Rache, laßt ihr Blut nicht auf unsere Häupter kommen.«
    Darauf schwor der Emir unter schauderhaften Flüchen, jeder der Gefangenen, der sich weigere, solle selbst gesteinigt werden. So wurde der grausame Befehl vollzogen, und die Gräfin Frandina starb von den Händen ihrer Landsleute.
    Als der Emir dieses barbarische Geschäft abgethan, schiffte er sich wieder nach Spanien ein, ließ die Veste von Ceuta in Flammen stecken und segelte zur Nachtzeit bei dem Lichte der himmelan steigenden Flammen über die Meerenge.
    Der Tod des Grafen Julian, welcher nicht lange nachher statt fand, schloß die tragische Geschichte seiner Familie. Wie er starb, bleibt in Zweifel gehüllt. Einige behaupten, der grausame Alahor habe ihn in seinem Zufluchtsort in den Gebirgen verfolgt und, nachdem er ihn gefangen genommen, enthaupten lassen; nach Andern hatten ihn die Mauren in einen Kerker geworfen und durch langsame Qualen seinem Leben ein Ende gemacht; während Andere wollen, der Thurm der Veste von Marcuello bei Huesca in Aragonien, wohin er sich geflüchtet, sei zusammengestürzt und habe ihn unter seinen Trümmern begraben. Alle stimmen darin überein, daß seine spätere Lebenszeit über die Maasen elend, und sein Tod gewaltsam gewesen. Der Fluch des Himmels, welcher ihn so bis zu seinem Grabe verfolgte, erstreckte sich selbst auf den Ort, welcher ihm ein Obdach geboten; denn man erzählt, die Veste werde nicht mehr bewohnt wegen des auffallenden und schrecklichen Getöses, das darin gehört werde, und man sehe über ihr häufig Schaaren Bewaffneter, welche für die ruhelosen Gespenster der abtrünnigen Christen gehalten werden, die mit dem Verräther gemeinschaftliche Sache gemacht hatten.
    In spätern Zeiten hat man außen an der Kirche der Veste einen Grabstein als den des Grafen Julian gezeigt; aber der Reisende und der Wanderer mieden ihn oder gingen mit einer Verwünschung vorüber; und der Name Julian ist
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