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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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beschlagnahmt worden war, auch
ein Zimmer. »Ich hoffe«, sagt Frau Bergstrøm, »Sie können gut in dem Bett schlafen,
denn da hat vor Ihnen ein deutsches Schwein gelegen.« Lillian legt Helmuts
Briefe später unter die Matratze. Lillian ist im Haus für die Hunde zuständig,
denn Frau Bergstrøm züchtet schottische Terrier. 16 Käfige stehen im Keller,
und vor jedem hängt eine Zahnbürste …
     
    64 Jahre ist das her. Meine Mutter schenkt uns Tee nach,
dann greift sie zu einem Brief, den sie sich schon zurechtgelegt hat.
    »Das hier war der entscheidende Brief, hier drin verbarg sich der
Weg, auf dem ich nach Deutschland kommen sollte.« Sie liest ihn mir vor:
     
    Meine liebste ferne Lillian. Ich glaube Dir heute eine Freude
bereiten zu können, indem ich Deine Tage im Norden als gezählt bezeichnen
möchte. Um Dich allen Anfeindungen zu entziehen, habe ich gestern in Altena mit
Frau Dr. Ziegler vereinbart, daß Du vorläufig zu ihrem Onkel nach Kopenhagen
fahren sollst. Er ist dort in der Verstervoldgate 40 als Zahnarzt Dr. Eduard
Christensen tätig. Er ist über Dein Kommen unterrichtet. Vielleicht kannst Du
ihm auch ein wenig in der Praxis helfen. Erkundigen musst Du dich nur, ob Du
noch ein besonderes Visum für Dänemark nötig hast. Anderenfalls überlege nicht
lange und fahre gleich los, wobei Du all Deine Sachen mitnehmen kannst. Wegen
der Unterstellung der Sachen und der eventuellen Weiterbeförderung derselben
setze dich mit der Transportfirma Assmussen in Kruså bei Padborg in Verbindung,
indem du eben mal dorthin fährst. In Padborg empfehle ich dir auch einen Besuch
in der Metzgerei Karing. Unterrichte von der Ankunft in Kopenhagen unbedingt
die Eltern von Frau Dr. Ziegler, die Familie Adolf Matz in Flensburg, Große
Straße 30, Telefon 473, die Dich auf dem Wege des kleinen Grenzverkehrs sicher
einmal besuchen wird. Auch Herr Schlohfeld in der Vogtstraße 23 wird sich sicher
über einen Gruß von seinen Freunden in Norwegen freuen.
     
    Meine Mutter legt den Brief beiseite und schaut aus dem
Fenster. »Auch wenn ich die versteckten Hinweise nicht alle verstehen konnte,
ich habe keine Sekunde gezögert, mich auf die Reise nach Kopenhagen zu machen.
Später habe ich dann erfahren, wie diese einzelnen Verbindungen zustande gekommen
waren. Kurz gesagt: über Freunde von Freunden und über Geschäftspartner.«
    Mit drei Koffern, die auch alle Briefe von Helmut enthalten,
verlässt sie am 5. Juni 1947 mit dem Fährschiff Prinz Olaf Norwegen.
    »Ich habe nur eine Nacht in Kopenhagen im Haus von Dr. Christensen
geschlafen, am nächsten Tag bin ich dann nach Padborg und wusste überhaupt
nicht, was mich da erwartet.«

Bare oss to
    Juni 1947
     
    Der Zug hat Kopenhagen gegen Mittag verlassen. Die Fahrt
geht zunächst über die Insel Seeland. Und dann durch Fünen. Lillian sieht aus
dem Fenster. Fünen wirkt auf sie wie ein unendlich großer Garten. Um 8 Uhr
abends ist der Zug in Padborg. Auf dem Fahrplan sieht sie, dass der nächste Bus
nach Kruså erst morgen früh geht. Sie fragt die Frau, die die Fahrkarten
verkauft, nach einem Hotel.
    »Ein Hotel? Wo denken Sie hin. Die sind alle vom Militär besetzt. Es
gibt hier doch so viele Soldaten. Wir sind hier doch gleich an der deutschen
Grenze …« Plötzlich hält ein Jeep vor dem Bahnhof. Die Frau hinter dem Schalter
lässt Lillian stehen und geht mit schnellen Schritten zu den drei dänischen
Soldaten, die in dem Fahrzeug sitzen, und wechselt ein paar Worte mit ihnen.
Dann winkt sie Lillian zu sich. »Sie fahren nach Kruså. Ein Platz ist noch frei – wenn Sie wollen, können Sie mitfahren.« Sie zeigt auf Lillians Koffer. »Ihr
Gepäck passt aber nicht mehr in das Auto. Sie können es gerne hier
aufbewahren.«
    Lillian reicht ihr eine Schachtel amerikanischer Zigaretten, die sie
aus ihrer Tasche gezogen hat. Nein, das ist wirklich nicht nötig – »Es ist doch
gut, dass wir Glück gehabt haben.« Dass die Frau »wir« gesagt hat, rührt
Lillian. Sie nennt den Soldaten den Namen der Transportfirma, die in Helmuts
Brief erwähnt ist. »Die Firma kenne ich«, sagt der Fahrer und legt den Gang
ein. Dann geht es über die dunkle Landstraße mit einer Geschwindigkeit, die
Lillian fast den Atem nimmt.
    Nach einer halben Stunde kommt der Jeep mit quietschenden Reifen vor
der Einfahrt zum Stehen. Lillian dankt den Soldaten und gibt jedem eine
Schachtel Chesterfield. Dann greift sie nach ihrer Reisetasche, fährt sich kurz
durchs Haar und geht zum
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