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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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Lillian und Tore durch die
kalten nachtstillen Straßen und bleiben vor dem Gartentor der Halvdansgate 16 stehen.
Jetzt tanzt nur noch das Polarlicht in unterschiedlichen Grüntönen, und der
Schnee liegt funkelnd auf der Stadt. »Es war ein schöner Abend, nicht wahr?«
Sie fühlt, wie sich sein Arm um ihre Schultern legt. Dann sieht sie Licht im
Wohnzimmer. Sie weiß, dass man sie erwartet.
    »Danke, Tore, ich muss jetzt reingehen«, sagt sie und küsst ihn
schnell auf die Wange. Lillian ärgert sich an diesem Abend über ihre Eltern.
Sie hätte lieber ein bisschen länger mit Tore so vor dem Haus gestanden. Sie
weiß, dass seine Kameraden mit ihren Tanzpartnerinnen noch zu Björg nach Hause
gegangen sind, um weiterzufeiern, denn deren Eltern sind nicht da.
    Nachdem sie Annie und John kurz berichtet hat, wie der Abend
verlaufen ist, geht Lillian in ihr Zimmer. Sie ist selig, das Leben ist
wunderbar! Wie es wohl mit Tore weitergeht? Auf jeden Fall, da ist sie sich
sicher, will sie nicht so schnell heiraten und Kinder bekommen. Sie träumt von
einer guten Ausbildung. Ja, sie will Archäologin werden, denn das hat sie immer
fasziniert. Stundenlang kann sie sich in die Bücher über Troja und über das
alte Ägypten vertiefen, die unten in den Regalen in der Bibliothek ihrer Eltern
stehen.

Heil Hitler, Herr Crott!
    Winter 1939
     
    Danzig. Zweitausend Kilometer südlich von Harstad. Aus Herrn
Dr. Helmut Crott ist inzwischen der Gefreite Crott geworden. Statt des
Geschäftsanzugs der Londoner City trägt er nun die feldgraue Uniform der
deutschen Wehrmacht. Und zu der passt kein Regenschirm, sondern der Karabiner 98k. Crott ist dankbar, dass er wenigstens Lenchen und Lieschen hat, um die er sich
kümmern muss und die in diesem verdammt kalten Januar, dem kältesten seit
hundert Jahren mit Temperaturen bis zu 28 Minusgraden, ein bisschen von ihrer
Wärme an den jungen Soldaten abgeben.
    Lenchen und Lieschen sind zwei Haflinger-Pferde und tun ebenso wie
    Crott seit dem Spätherbst 39 ihren Dienst in der Wehrmacht. Genauer gesagt in
der 196. Divison, die als Infanterietruppe der 7. Aufstellungswelle im
Wehrkreis XX in Danzig zusammengezogen worden ist.
Sie wird kommandiert von Generalmajor Richard Pellengahr.
    Am frühen Morgen des 17. Dezember läuft Crott noch vor dem ersten
Drill zu seinen beiden Schützlingen hinaus auf die Koppel. In der Hosentasche
hat er drei Zuckerstücke, die er sich am Abend vorher in der Kantine
eingesteckt hat. Dann steht er zwischen den beiden Pferden, die ihre weichen
Mäuler an seiner Schulter reiben.
    »Ihr könnt jetzt euer Gedicht aufsagen!«, flüstert er ihnen zu. »Ich
habe heute nämlich Geburtstag. Den 26., falls euch das was sagt. Zur Feier des
Tages gebe ich einen aus«. Zunächst bekommen Lenchen und Lieschen ihr
Zuckerstück, dann ist er selbst an der Reihe.
    »Das richtige Fest steigt erst heute Abend mit Tanz und Buffet.
Wollt ihr alleine oder in Herrenbegleitung kommen?« Die Pferde schütteln die
Köpfe.
    »Also alleine.«
    Crott greift in die flachsfarbenen Mähnen der beiden Tiere und
bedankt sich für die Zusage. Dann wird ihm der Hals auf einmal eng. Weil ein
Soldat aber nicht weint, macht Crott kehrt und rennt wieder zurück zur
Kompanie.
     
    Seit dem 18. Juli 1939 ist Crott nun Soldat. Aus den sechs
Wochen Wehrübung sind bis jetzt fünf Monate Wehrdienst geworden. Die
Mannschaften in Pellengahrs Division kommen aus dem Rheinland und aus
Westfalen. Die ersten Wochen hat Helmut mit der Grundausbildung in Wesel
verbracht, aber der Drill findet hier im Osten des Reiches statt. Pellengahrs
Stab befindet sich in Zoppot, nordwestlich von Danzig. Die drei Infanterieregimenter
sind auf verschiedene Orte in West- und Ostpreußen verteilt. Zum 345. Regiment
gehört im Winter 1939/1940 auch Crott. Immer wieder gibt es Verlegungen, und
Crott und die anderen fühlen sich in diesem ersten Kriegswinter manchmal eher
als Landstreicher denn als Soldaten.
    In den Danziger
Neuesten Nachrichten steht, dass wegen der Witterungsverhältnisse
Dreiviertel der Kinder in der Schule fehlen. Die Öfen schaffen es bei dem
anhaltenden Oststurm einfach nicht, den Klassenraum zu erwärmen, und die Tinte
gefriert in den Tintenfässern.
    Obwohl Crott den Sport und die Bewegung liebt, macht ihm der harte
Drill doch zu schaffen. London ist in jeder Hinsicht weit, aber manchmal, wenn
er abends erschöpft mit den anderen in dem Klassenzimmer der alten Schule
liegt, in dem sie zum Schlafen
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