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Erwarte mich in Paris (German Edition)

Erwarte mich in Paris (German Edition)

Titel: Erwarte mich in Paris (German Edition)
Autoren: S.A. Urban
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Hatte er sich hier etwa mit jemand verabredet?  
    Nach einer weiteren geschätzten halben Stunde blieb endlich ein Mann vor Piero stehen. Enttäuscht atmete ich aus, als er nur die ausgestellte Ware im Schaufenster betrachtete. Doch dann bemerkte ich, wie er Piero verstohlen musterte. Piero schien dies zu bemerken, ja sogar zu mögen. Er strich sein Haar zurück und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Der Mann erstarrte, dann wandte er sich schnell ab und verschwand auf der Herrentoilette, die nur wenige Schritte entfernt war. Piero stieß sich von der Wand ab und warf einen Blick in meine Richtung. Schnell zog ich mich hinter die Säule zurück. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er hatte mich doch nicht etwa entdeckt?  
    Behutsam lugte ich auf der anderen Seite der Säule hervor. Piero war weg. Ich sah gerade noch, wie die schwere Metalltür der Toilette wieder ins Schloss fiel.  
    Gut, ich würde warten, vielleicht kam er ja wieder heraus. Wenn nicht, war meine Verfolgungsjagd eben vorbei. Ich war nun mal kein Privatdetektiv. Mein Können beschränkte sich auf andere Gebiete.  
    Während ich wartete, schweiften meine Gedanken zu meiner bevorstehenden Heirat. Was sollte ich nur tun? Ich hatte wirklich absolut keine Lust, Kinder in die Welt zu setzen und rauchend mit den anderen Männern Abend für Abend am Feuer über politische Angelegenheiten zu diskutieren.  
    Ob ich noch mal mit meinem Vater reden sollte?  
    Nein, das kam nicht in Frage. Das letzte Mal, als ich ihm erzählte, wie ich mir meine Zukunft vorstellte, hatte er mir eine derartige Ohrfeige verpasst, dass mein Kopf gegen das Hängeschränkchen in unserem Wohnwagen geflogen war. Die Hand, mit der ich an meine Schläfe fasste, klebte augenblicklich von frischem Blut. Mir war schwarz vor Augen geworden und ich mühte mich ab, auf den Beinen zu bleiben. Meine Mutter hatte mich sofort auf die Bank gezogen und drückte mir ein feuchtes Tuch auf die Wunde, während meine Großmutter schimpfend auf meinen Vater losging. Niemand, außer Paco, traute sich sonst, so mit meinem Vater umzugehen.  
    Ich hätte es wissen müssen. Zu oft schon hatte ich die Faust oder schlimmstenfalls den Stiefel meines Vaters zu spüren bekommen, wenn ich mich gegen seine Anweisungen auflehnte. Oft reichte schon eine kleine Andeutung, und sein ganzer Zorn entlud sich auf mich.  
    „Weißt du“, sagte mir meine Großmutter einmal, „er kennt es nicht anders. Sein Vater, Gott habe ihn selig, hat es ihm so vorgelebt. Reize ihn nicht, dann ist alles gut.“  
    Diesen Ratschlag beherzigte ich, doch die bevorstehende Hochzeit hatte mich unbedacht werden lassen.  
    „Hast du etwa eine Andere ins Auge gefasst?“, hatte mich meine Großmutter in einem stillen Moment gefragt.  
    Kopfschüttelnd verneinte ich. „Ich weiß auch nicht. Ich will für die Familie da sein, aber das letzte, woran ich denke, ist heiraten.“  
    Meine Großmutter hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt. „Für manche Menschen ist eine normale Beziehung eben nicht die Lösung.“ Schwerfällig war sie aufgestanden und hatte mich mit diesem rätselhaften Satz allein zurückgelassen.  
     

Dunkle Straßen
     
    Die Tür der Herrentoilette öffnete sich und der Mann vom Schaufenster erschien. Nachdenklich blieb er stehen. Als sich die Tür ein zweites Mal öffnete, trat Piero heraus. Der Mann sah ihn mit unbewegtem Gesicht an, drehte sich um und ging raschen Schrittes Richtung Rolltreppen. Er machte den Eindruck, als würde er sich für etwas schämen. Piero sah ihm mit einem verkrampften Lächeln hinterher und setzte sich dann ebenfalls in Bewegung.  
    Ich folgte ihm in einigem Abstand die Rolltreppe hinauf. Meine Fragezeichen im Kopf wurden immer größer. Was tat Piero hier? Welche Art von Geschäften ging er nach und warum gerade zu dieser späten Stunde?  
    Warum hatte er so lange im Untergeschoss des Hauptbahnhofs herumgelungert? Und wo ging er jetzt hin?  
    Neugierig, fast alle Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lassend, lief ich hinter Piero her. Ich musste nicht vorsichtig sein. Er drehte sich kein einziges Mal um. Er eilte zielstrebig durch die dunkle Stadt, und schien genau zu wissen, wo er hin wollte. Zehn Minuten später hatte er sein Ziel erreicht. Über der Tür, hinter der er verschwand, prangte in blauer Neonschrift Cruising Gay Bar .  
    Ich blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen, unschlüssig, ob ich ihm folgen sollte. Was war, wenn die Bar nur einen kleinen Gastraum
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