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Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten

Titel: Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten
Autoren: P Schröder
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zu. „Ich war ein wenig müde, aber ich glaube, mehr als Gestotter kam nicht über ihre Lippen.“
     
    Seltsam, dachte Mirinda.
    Das geht doch nicht
    mit rechten Dingen zu!
    „Als Nächstes ist Grazius dran“,
    sagte ihre Lehrerin.
    „Er ist der Beste in der Klasse.
    Er muss es schaffen.“
     
    Mirinda wartete, bis Ludmilla Lunaris und Rosine Rosenquarz wieder verschwunden waren, dann hastete sie den Gang hinunter und steuerte den Prüfungsraum an. Er lag unmittelbar neben dem Lehrerzimmer und dem Büro der Direktorin. Ob Mirinda mal mit ihr reden sollte? - Ach, was! Auf sie hatte doch noch nie jemand gehört. Warum sollte das jetzt ausgerechnet die Direktorin tun? Und außerdem: Mirinda wusste ja selber nicht genau, was im Prüfungsraum vor sich ging. Das Beste war wohl, wenn sie es so schnell wie möglich herausfand.

     
    Mirinda machte sich so klein
    wie eine Maus.
    Hastig flitzte sie zum Ausgang.
    Sie umrundete das Gebäude
    und duckte sich unter das Fenster
    des Prüfungsraums.
     
    Sie hielt den Atem an, während sie sich langsam aufrichtete und über die Kante des Außensimses in den Raum spähte.
    Zaubermeister Hallufix stand hinter dem Lehrerpult und bot einen Anblick, der Mirinda eine Gänsehaut über den Rücken rauschen ließ. Er war riesig groß, hatte eine gewaltige Hakennase und stechend gelbgrüne Augen.
    Außer ihm befand sich niemand im Prüfungsraum, doch plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Ludmilla Lunaris kam herein und ging mit langen energischen Schritten auf das Pult zu. Grazius zog sie an der Hand hinter sich her.
    „Dies ist mein bester Schüler“, verkündete die Hexenlehrerin. „Er kennt sämtliche Zaubersprüche und Verwunschtrünke in- und auswendig.“
    Das Fenster war gekippt, sodass Mirinda jedes Wort verstehen konnte.

     
    „So?“, rief Zauberer Hallufix.
    „Dann wollen wir mal hören!“
    Seine Augen leuchteten nun giftgelb.
    Plötzlich zückte er seinen Zauberstab
    und wedelte ihn durch die Luft.
     
    Ludmilla Lunaris gähnte, dann kippte sie nach hinten und schlug steif wie ein Brett zu Boden. Sie klappte die Augen zu und fing an zu schnarchen.
    „Aber Sie haben meine Lehrerin eingeschläfert!“, rief Grazius empört. „Jetzt kann ja niemand mehr beurteilen, ob die Prüfung auch ordentlich durchgeführt wird.“
    „Genau das ist ja meine Absicht!“, zischte Hallufix. Er beugte sich weit über das Pult und blickte Grazius genau in die Augen. Seine eigenen fingen nun an, die Farbe zu wechseln. Mal leuchteten sie gelb, mal grün, mal rot und mal türkisblau.

    Grazius wurde käsebleich.
    Seine roten Haare
    standen kreuz und quer vom Kopf ab
    und sein Blick wurde starr.
     
    Potztausend, so ein gemeiner Kerl!, dachte Mirinda zornig. Kein einziges Kind wird abgefragt. Hallufix behauptet einfach, dass sie durchgefallen sind, damit er sie möglichst bald in seine Zauberschule abkommandieren kann. Und deshalb geht es diesmal mit den Prüfungen auch so schnell.
    Mirinda ballte die Fäuste. Sie musste unbedingt die Direktorin holen, damit sie sich mit ihren eigenen Augen und Ohren von den Ungeheuerlichkeiten überzeugen konnte, die sich hier abspielten.
     
    Halt!, dachte Mirinda.
    Was ist, wenn sie mir nicht glaubt?
    Wenn sie es für einen miesen Scherz hält
    und gar nicht mitkommt?
    Nein, nein!
    Mirinda musste etwas anderes tun:

     
    Sie musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Sie hob sich auf die Zehenspitzen, schob ihre Hand durch den Fensterschlitz und versuchte, den Griff zu erreichen. Doch leider war sie zu klein. Mirinda fluchte leise, aber dann fiel ihr etwas anderes ein.
    Schnell wie ein Wiesel sauste sie ums Schulhaus herum, schlüpfte durch den Eingang und in die Nische, in der Doraxas Besen stand. Mirinda sprang darauf, hob vom Boden ab und flog in atemberaubender Geschwindigkeit zum Fenster des Prüfungsraums zurück.

    Mirinda nahm fünf Meter Anflugschwung.
    Dann gab sie richtig Stoff.
    Sie stieß mit dem Besenstiel
    die Scheibe kaputt
    und landete direkt vor dem Pult.
    Scherben klirrten zu Boden.
    Zauberer Hallufix erschrak heftig.
     
    Er hob den Zauberstab, aber Mirinda war schneller.
    „Tu nicht gut, du Stab!“, rief sie. „Falle ab!“
    Augenblicklich flutschte der Zauberstab aus Hallufix’ Hand und landete vor Mirindas Füßen.
    „Stopp!“, brüllte Hallufix. Er sprang hinter dem Pult
hervor, packte Mirinda am Schopf und zwang sie, ihn anzusehen. Schon begannen seine Augen, die Farbe zu wechseln.
     
    Gelb. Grün. Rot.
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