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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway
Autoren: Ernest Hemingway
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Alice, die immer noch bebte. «Du bist eine dreckige Lügnerin», sagte sie mit ihrer tiefen Stimme. «Du hast dein Lebtag niemals mit Steve Ketchel geschlafen, und du weißt es.»
    «Wie kannst du das sagen», sagte Wasserstoff stolz.
    «Ich sage es, weil es wahr ist», sagte Alice. «Ich bin die einzige hier, die Steve Ketchel je gekannt hat, und ich komme aus Mancelona, und ich kannte ihn da, und es ist wahr, und du weißt, daß es wahr ist, und Gott soll mich auf der Stelle tot umfallen lassen, wenn es nicht wahr ist.»
    «Mich soll er auch auf der Stelle tot umfallen lassen», sagte Wasserstoff.
    «Es ist wahr, wahr, wahr, und du weißt es. Nicht einfach erfunden, und ich weiß genau, was er zu mir gesagt hat.»
    «Was hat er denn gesagt?» fragte Wasserstoff gelassen.
    Alice weinte so, daß sie vor Schüttern kaum sprechen konnte. «Er hat gesagt: ‹Du bist ein wunderbares Stück, Alice.› Genau das hat er gesagt.»
    «Das ist gelogen», sagte Wasserstoff.
    «Es ist wahr», sagte Alice. «Das hat er wahrhaftig gesagt.»
    «Es ist gelogen», sagte Wasserstoff stolz.
    «Nein, es ist wahr, wahr, wahr. Bei Jesus und Maria, es ist wahr.»
    «Steve hätte das nicht sagen können. So hat er nicht gesprochen», sagte Wasserstoff vergnügt.
    «Es ist wahr», sagte Alice mit ihrer angenehmen Stimme. «Und es ist mir ganz einerlei, ob du es glaubst oder nicht.» Sie weinte nicht mehr und hatte sich beruhigt.
    «Es wäre Steve unmöglich gewesen, so was zu sagen,» erklärte Wasserstoff.
    «Er hat es gesagt», sagte Alice und lächelte. «Und ich erinnere mich, wann er es gesagt hat, und ich war damals ein wunderbares Stück, genau wie er gesagt hat, und auch jetzt bin ich ein besseres Stück als du, du vertrocknete alte Wärmflasche.»
    «Du kannst mich nicht beleidigen, du fette Eiterbeule, du», sagte Wasserstoff. «Ich habe meine Erinnerungen.»
    «Nein», sagte Alice mit ihrer süßen, lieblichen Stimme, «du hast gar keine richtigen Erinnerungen, außer daß du die Eierstöcke raushast und als du mit C. und M. anfingst. Alles übrige hast du einfach in der Zeitung gelesen. Ich bin sauber, und du weißt es, und die Männer mögen mich, obschon ich dick bin, und du weißt es, und ich lüge niemals, und du weißt es.»
    «Laß mich mit meinen Erinnerungen», sagte Wasserstoff, «mit meinen wahren, wundervollen Erinnerungen.»
    Alice blickte sie an und dann uns, und ihr Gesicht verlor den verletzten Ausdruck, und sie hatte wohl das hübscheste Gesicht, das ich jemals gesehen habe. Sie hatte ein hübsches Gesicht und eine feine, glatte Haut und eine wunderschöne Stimme, und bestimmt war sie nett und richtig herzlich. Aber weiß Gott, dick war sie! Sie war so dick wie drei Frauen.
    Tom sah, daß ich sie anblickte, und er sagte: «Komm, los. Gehen wir.»
    «Auf Wiedersehen», sagte Alice. Sie hatte wirklich eine angenehme Stimme.
    «Auf Wiedersehen», sagte ich.
    «In welcher Richtung geht ihr Jungens?» fragte der Koch.
    «In der entgegengesetzten wie du», antwortete ihm Tom.

Gott hab euch selig, ihr Herren
    In jenen Tagen waren die Entfernungen alle ganz andere; von den Hügeln, die jetzt abgetragen sind, wehte der Staub herunter, und Kansas City war genau wie Konstantinopel. Vielleicht glauben Sie es nicht. Niemand glaubt es, aber wahr ist es. An diesem Nachmittag schneite es, und in dem in der frühen Dunkelheit hell erleuchteten Schaufenster eines Automobilhändlers stand ein Rennwagen völlig in Silber fassoniert mit einem Schild: ‹Dans Argent› auf der Kühlerhaube. Ich dachte, das bedeutet ‹Silbertanz› oder ‹Silbertänzer› und ging, nicht ganz sicher, welches von beiden es nun bedeutete, aber begeistert von dem Anblick des Wagens und erfreut über meine Kenntnisse einer fremden Sprache, im Schnee die Straße hinunter. Ich ging vom Lokal der Gebrüder Woolf, wo zu Weinachten und zum Erntedankfest ein Gratis-Puten-Essen serviert wurde, dem städtischen Krankenhaus zu, das auf einem hohen Hügel stand, von dem man den Rauch, die Gebäude und die Straßen der Stadt überblickte. Im Aufnahmeraum des Krankenhauses saßen die beiden Chirurgen Doc Fischer und Doktor Wilcox, der eine vor einem Schreibtisch, der andere auf einem Stuhl an der Wand.
    Doc Fischer war dünn, aschblond, mit einem schmalen Mund, belustigten Augen und Spielerhänden. Doktor Wilcox war stämmig und dunkel und trug ein mit einem Register versehenes Buch, Der Freund und Ratgeber des jungen Arztes, bei sich, das, wenn man es über
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