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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers
Autoren: Adam Karillon
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gehen mein letztes Geschäft war?«
    »Sie machten das Männchen auf dem Brunnen zu Brüssel, weiter sage ich nichts. Aber nun denken Sie sich nur, wie angesichts der eben gehörten Weissagung unmittelbar unter der Wirkung der Gottesrute das warme Wasser wirkte! Wie eine Taubenschar, in die der Habicht stößt, fuhr die Menge auseinander. Wer die warme Nässe im Genick zu fühlen bekam, spürte gleichzeitig unter seinen Füßen auch schon die versengenden Flammen aus der geborstenen Erde. Angstrufe und Geschrei aus fünfzig Kehlen erfüllten die Luft. Der einzige, der ruhig Blut und Fassung behielt, waren Sie auf Ihrem erhabenen Standpunkt über dem Volkshaufen.«
    »Vermutlich nur so lange, bis meine Mutter Zeit gefunden, aus dem Zimmer zu stürzen, um den Übeltäter zu bestrafen,« erlaubte ich mir zu ergänzen.
    »Ganz recht, dann stimmten auch Sie mit ein in das allgemeine Heulen und Zähneknirschen und doch, denken Sie nur, hatten Sie an diesem Abend die erste Sprosse auf der Leiter Ihres Ruhmes erstiegen.«
    »Man wird mich doch nicht zum Ehrenbürger gemacht haben, weil ich den Leuten umsonst den Scheitel gesalbt hatte?«
    »Das nicht. Aber Sie wurden von den Aufgeklärten, vom Aktuar, Forstrat und Apotheker, auf den Schild gehoben. Der Hutmacher erklärte Sie für einen neuen Luther, der mit beißender Essenz den Leuten den Kopf wasche. Ihr Name ging am Honoratiorenstammtischvon Mund zu Mund, und überhaupt das ganze Kirchspiel lachte und redete über drei Monate lang von nichts anderem als dieser lustigen Geschichte.«
    »Gleichwohl kann ich mir nicht vorstellen, daß alle Leute von meinem ersten Auftreten auf der Lebensbühne entzückt gewesen sind.«
    »Waren sie auch nicht. Aber Sie hatten andere Eigenschaften, die Sie Ihren Gegnern wieder unentbehrlich machten.«
    »Sie können meine Achtung vor mir selber nur steigern, wenn Sie mir die nennen wollen, Frau Kritzler.«
    »Nun, da war zunächst einmal Ihre Stimme.«
    »War die so, daß man mit ihr die Hasen aus dem Krautfeld scheuchen konnte?«
    »Das nicht, aber Sie galten als guter Sänger bei den Beerdigungen, verstanden es, die Altarkerzen zu bedienen, schwangen bewundernswürdig das Rauchfaß und gossen das Öl in die ewige Lampe, wenn die Künste der Karline versagten, und die Leute trotz Streichens und Blasens zum Sterben kamen. Ach, die Karline, können Sie sich deren nicht erinnern, der kleinen, rotbäckigen Alten, die acht Söhne und zweiunddreißig Zähne verloren hatte und doch immer ein so fröhliches Gesicht machte, als ob Kirmes und Fastnacht bei ihr auf einen Tag fielen?«
    »Sie meinen doch die Haubenbüglerin, die auch die Schirtingblumen fabrizierte in den Buchs der Totenkränze hinein?«
    »Gott gebe ihr eine fröhliche Auferstehung! Sie hatmehr Gutes an der Menschheit getan als hundert Wundärzte zusammengenommen. Sie konnte das Blut mit Spinnweben stillen und brauchte keine Blutegel hinters Ohr zu setzen, wenn sie ein Kopfweh vertreiben wollte. Schade, daß ihre Zaubersprüchlein mit ihr verloren gingen.«
    »Bis auf eines, das wie ein verwehter Schmetterling in dem Brei meines Gehirns hängen blieb. Denken Sie nur, Frau Kritzler, die Sache kam so. Meine Mutter litt stark an Migräne, und sie wurde ihre Schmerzen los, wenn die Karline kam, um es zu brauchen. Freilich hielt die Wirkung oft nur einige Stunden an, und um die Nachtruhe der weisen Frau wäre es geschehen gewesen, hätte man sie so oft rufen wollen, als meine arme Mutter nach ihrer Hilfe verlangte. Man mußte also auf einen Ersatz bedacht sein, und man kam auf den Gedanken, daß ich das Sprüchlein der klugen Frau erlernen solle, um es anzuwenden, wenn es verlangt wurde. Zu ihrem Nachteil gab die Künstlerin ihr Geheimnis preis. Zwei-, dreimal hergesagt, und ich konnte das Sprüchlein nachplappern: »Wilder Wald, ich hör' dein Brausen, hör' dein Sausen, will der Marieliese Kopfweh mit dir vertauschen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    »Und haben Sie die Zauberformel an ihrer Mutter angewendet und damit Erfolg erzielt?«
    »Mehr als tausendmal hat der Humbug ihr geholfen. Er hilft jedem, der dran glaubt, und zum mindesten er schadet keinem Menschen, es sei denn, daß dieEinnahmen der alten Karline durch meine Konkurrenz zurückgegangen wären.«
    »Sind Sie ihr denn wirklich ein gefährlicher Konkurrent geworden?« fragte Frau Kritzler.
    »Ich nehme es an, denn ich war damals ein gesuchter Heilkünstler, so zwar, daß ich nur an wenig
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