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Erich Kastner

Erich Kastner

Titel: Erich Kastner
Autoren: Der 35.Mai oder Konrad reitet in die Sudsee
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Kalb und glotzte aus vier Augen auf den dicken Mann, der es sich gewünscht hatte, und nun, als er das seltsame Tier erblickte, albern in die Kissen kicherte.
Schließlich winkte er ab und rief prustend: »Zurück, marschmarsch!«, und das Kalb war verschwunden.
Die drei spazierten weiter und kamen zu einer dicken Dame. Die lag auch im Bett und hatte vor lauter Nachdenken tausend Falten auf der Stirn. Plötzlich stand ein alter Mann mit einer Botanisiertrommel vor ihr.
»Zurück, marschmarsch!« brummte sie, und da war er weg. Und dann zog sie noch mehr Falten, und wieder stand ein alter Mann mit einer Botanisiertrommel vor ihrem Bett.
Er ähnelte dem ersten. Er hatte nur noch weniger Zähne, dafür aber lange weiße Locken.
»Zurück, marschmarsch!« kommandierte die Frau, und da verschwand auch er. Und dann stand ein dritter alter Mann vor ihr, der ähnelte den ändern beiden. Aber er hatte eine größere Nase und eine Glatze. »Zurück, marschmarsch!« schrie die Frau wütend und schloß erschöpft die Augen.
»Was machen Sie denn da, Frau Brückner?« fragte Seidelbast.
»Ach, Herr Präsident«, antwortete die Frau, »ich stelle mir meinen Großvater vor. Aber ich krieg ihn nicht mehr zusammen. Ich habe vergessen, wie er aussah.«

    »Ärgern Sie sich nicht!« warnte Seidelbast. »Sie wiegen seit der vorigen Woche nur noch zweihundertfünfundfünfzig Pfund. Es täte mir leid, Sie aus dem Schlaraffenland ausweisen zu müssen.«
»Seit acht Tagen probier ich das nun«, sagte Frau Brückner weinend, »und immer wieder mißlingt mir der olle Mann. Gute Nacht, Seidelbästchen!« Und schon schlief sie. So sehr hatte sie ihr Gehirn strapaziert.
»Dort!« schrie Konrad. »Dort! Seht nur! Ein Löwe!«
Vor einem der Betten stand ein gewaltiger blonder Löwe, riß das Maul sperrangelweit auf und zeigte sein Gebiß.
»Natürlich der dicke Borgmeier«, schimpfte Seidelbast. »Dauernd stellt er sich wilde Tiere vor. Das ist eine fixe Idee von ihm. Wenn das nur nicht mal schiefgeht!«
Der blonde Löwe schlich näher an das Bett, machte einen Buckel und fauchte gräßlich. Der dicke Borgmeier wurde blaß. »Zurück!« rief er. »Marsch zurück, du Mistvieh!« Doch der Löwe kroch näher. Er knabberte schon am Federbett. »Mach, daß du wegkommst!« brüllte Borgmeier.
»Er hat vor lauter Angst vergessen, daß es >Zurück, marschmarsch< heißt«, sagte Seidelbast. »Wenn es ihm nicht noch einfällt, wird er leider gefressen werden.«
»Da werd ich mal hinrennen und es dem Löwen ins Ohr schreien«, meinte Konrad und wollte zu Borgmeier hinüber.

    Aber Onkel Ringelhuth hielt ihn fest und sagte: »Willst du gleich hierbleiben? Deine Eltern drehten mir den Hals um, wenn ich erzählte, daß du von einem gedachten Löwen gefressen worden wärst.«
Und auch Seidelbast riet zum Dableiben. »Es hätte keinen Zweck«, erklärte er. »Borgmeier muß selber rufen.«
Inzwischen war der Löwe aufs Bett gesprungen, trat mit den Vordertatzen Herrn Borgmeier auf den Bauch und betrachtete den Dicken gerührt. So ein fettes Frühstück war ihm lange nicht beschert gewesen. Er riß das Maul auf …
»Zurück, marschmarsch!« schrie Borgmeier, und der Löwe war weg.
»Sie sind wohl nicht ganz bei Tröste?« fragte Seidelbast den schlotternden Mann. »Wenn es nicht so anstrengend wäre, würde ich mich über Sie ärgern.«
»Ich will’s bestimmt nicht wieder tun«, jammerte Borgmeier.
»Ich entziehe Ihnen für vierzehn Tage die Erlaubnis, die Versuchsstation zu betreten«, sprach der Präsident streng und ging mit den Besuchern weiter.
Plötzlich wurde Onkel Ringelhuth immer kleiner und kleiner.
»Ich werde verrückt!« rief er. »Was soll denn das bedeuten?«
Konrad lachte und rieb sich die Hände. Seidelbast lachte auch und sagte zu ihm: »Du bist eine tolle Rübe.«
Und der Onkel schrumpfte immer mehr zusammen. Jetzt war er nur noch so groß wie Konrad. Dann nur noch so hoch wie ein Spazierstock. Und schließlich war er nicht größer als ein Bleistift.
Konrad bückte sich, nahm den winzigen Onkel in die Hand und sagte: »Ich hab mir nämlich ausgemalt, du wärest so klein wie auf der Photographie, die wir zu Hause haben.«
»Mach keine Witze«, sagte der Miniaturonkel. »Rufe sofort: Zurück, marschmarsch!« Er hob das Händchen, als wolle er dem Neffen eine Ohrfeige geben. Dabei war er nicht größer als Konrads Handfläche, auf der er stand. »Ich befehle es dir!« rief er.
Seidelbast lachte Tränen. Der Junge sagte aber zu seinem Onkel: »Du
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