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Er trank das ewige Leben

Er trank das ewige Leben

Titel: Er trank das ewige Leben
Autoren: Jason Dark
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verloren haben?«
    »Ja.«
    »Dort steht mein Haus.«
    Marek ging weiter. Er sah auch Menschen. Zumeist ältere Personen.
    Zwei Frauen kamen ihnen entgegen, die mit Wasser gefüllte Eimer schleppten. Ihre Gesichter sahen aus wie die von alten Statuen, wie man sie in manchen Kirchen findet.
    Dieses winzige Dorf im Delta wirkte so, als hätte der Tod bereits seine Knochenhände nach ihm ausgestreckt.
    Schlimm war auch der Geruch. Da gab es nicht einen Hauch von Frische. Zwischen den Hütten lag der Gestank wie eine Mauer. Es roch nach Fäulnis und irgendwelchen Schwefelverbindungen, die sich einfach nicht verflüchtigen konnten, weil der Wind nicht wehte.
    »In diesem Sommer war es besonders schlimm. Es war einfach zu heiß, Frantisek. Die Mücken haben sich stark vermehrt. Es ist eine Seuche zurückgekehrt, wie ich hörte, aber sie hat unseren Ort zum Glück noch nicht erreicht. Aber sicher bin ich mir da nicht. Es gibt einige Kranke, die man in den Hütten versteckt.«
    »Gibt es hier auch jüngere Menschen?«
    »Nur wenige, sehr wenige.«
    »Die meisten sind weg, wie?«
    »Ja, sie arbeiten im Norden und versuchen dort, ihr Geld zu verdienen. Ich weiß nicht, wie es ihnen geht. Die Fische werden auch immer weniger, aber das ist dir sicherlich bekannt. Man ist dabei, die Welt zu zerstören, und hier haben wir ein besonders verheerendes Beispiel. Aber was willst du machen? Das Land ist arm, man hat uns vergessen. Der einzige Begleiter ist hier die Angst.«
    »Die Angst vor der Zukunft?«
    »Nein, nicht so direkt. Aber das werde ich dir später erklären. Komm erst mal rein.«
    Marek blieb stehen. »Ist das deine Hütte?« Er deutete auf einen schmalen, grauen Bau, der den Namen Haus kaum verdiente. Es war das letzte Haus des Ortes. Zu ihm gehörte ein Grundstück, auf dem Negru versucht hatte, etwas anzubauen. Gemüse und Kartoffeln, aber kein Obst. Die Sonne leuchtete in den Dunst zwischen den Bäumen hinein und schuf dort eine hellere Welt.
    »Enttäuscht, Frantisek?«
    »Nun ja, ich wohne auch nicht sehr viel besser.«
    »Nur wenigen geht es gut. Wir sind eben nicht schlecht genug für diese Welt. Trotzdem bist du herzlich willkommen. – Komm rein!« Negru öffnete die Tür mit einem Fußtritt.
    Der Pfähler hatte bisher nicht nach dem eigentlichen Grund für den Hilferuf gefragt. Aus dem Brief war nur hervorgegangen, daß sich Negru in Schwierigkeiten befand, die er einem normalen Fremden nicht erklären konnte, weil sie wohl unglaublich waren. Marek ging davon aus, daß diese Schwierigkeiten mit seiner Mission zusammenhingen, aber er wollte erst den Bericht seines Freundes abwarten.
    Das kleine Haus bestand aus einem einzigen Raum im Erdgeschoß.
    Eine Treppe führte hoch zum Dach, und Negru wies auf die schmutzigen Tritte. »Dort oben schlafe ich.«
    »Aha. Allein?«
    »Wie meinst du?«
    Marek stellte seine Reisetasche neben den Küchentisch, wo sich auch eines der beiden kleinen Fenster befand. Dann ließ er sich auf einem Stuhl nieder. »Bist du nicht verheiratet?«
    Sein Freund stemmte die Hände auf die Tischplatte. »Ich war es, Frantisek, ich war es. Aber meine Frau hat sich umgebracht. Sie konnte das Elend nicht mehr ertragen.«
    »Das tut mir leid.«
    Negru winkte ab. »Es braucht dir nicht leid zu tun, Frantisek. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie es jetzt besser hat. Sie ist ins Wasser gegangen. Einfach so. Sie hat sich ertränkt.« Er hob die Schultern.
    »Und weiter?«
    »Nichts.«
    »Hast du nicht Kinder gehabt?«
    »Zwei Töchter.«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Auf sie komme ich gleich zu sprechen. Aber ich werde uns erst etwas zu trinken holen, denn was ich dir sagen werde, ist verdammt schlimm und nicht leicht zu verkraften.«
    »Hast du auch etwas zu essen?«
    »Ja, natürlich. – Brot?«
    »Gern.«
    Negru öffnete die linke Tür des alten Küchenschranks, an dem der gelbliche Lack zum größten Teil abgeblättert war. Er holte Brot hervor, eine Dauerwurst, ein Messer und störte sich auch nicht an den kleinen Fliegen, die aus dem Schrank flogen und sich im Raum verteilten, wo auch viele andere Insekten eine Heimat gefunden hatten. So lief ein dicker Käfer an Mareks rechtem Fuß entlang.
    In der Ecke stand ein alter Ofen. »Soll ich dir einen Tee kochen, Frantisek?«
    »Nein.«
    »Was Kaltes?«
    »Das wäre besser.«
    »Gut.« Negru bückte sich. Er hob eine Klappe an. Ein Loch war im Boden zu sehen. An der Innenseite hing eine Stange, die an ihrem unteren Ende mit einem Haken versehen war.
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