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Er trank das ewige Leben

Er trank das ewige Leben

Titel: Er trank das ewige Leben
Autoren: Jason Dark
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worden. Menschen entdeckte Marek nicht, und so kam ihm das Bild vor wie eine leere Theaterkulisse.
    Er irrte.
    Schon bald wehten erste Geräusche über das flache Gewässer.
    Stimmen, auch Musik aus einem Radio. Die Oberfläche sah aus wie ein grüner Spiegel, auf dessen trüber Oberfläche sich hin und wieder ein vereinzelter Sonnenstrahl verlor.
    Aus südlicher Richtung tuckerte ein Boot heran. Es bewegte sich kaum schneller als Marek in seinem Kahn, der die harte Ruderarbeit schon in seinen Armen und Schultern spürte, aber nicht aufgeben wollte. Er suchte nur eine Stelle, wo er anlegen konnte.
    Pfähle schauten aus dem Wasser. Alte Autoreifen sorgten dafür, daß die Boote bei höherem Wellengang nicht zerschlagen wurden.
    Der Pfähler richtete sein Augenmerk auf die freie Anlegestelle zwischen den kleineren Booten. Er suchte dabei auch das Ufer ab.
    Er entdeckte zwei Holzhäuser, die aussahen wie Schuppen. Eine Tür stand offen. Aus ihr drang die Musik. Im Schuppen bewegten sich mehrere Gestalten. Wahrscheinlich waren sie dabei, etwas zu reparieren oder Netze zu flicken. Marek suchte seinen Freund und dachte daran, daß er ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Aber sie würden sich erkennen, das stand fest. Irgendwie gab es noch immer das Band zwischen ihnen.
    Der Kai rückte näher. Da auch das andere Boot anlegen wollte, geriet Mareks Kahn in den Bereich der Wellen und fing an zu schaukeln. Das hörte erst auf, als Marek in die Lücke zwischen den kleinen Booten hineinfuhr. Der flache Bug prallte gegen einen Reifen. Marek zurrte das Seil um den Poller fest. Ein einfacher Seemannsknoten folgte. Dann warf er die alte Reisetasche aufs Trockene und stieg aus dem Kahn. Da sah er auch schon den Mann. Der stand da und hatte ihn beobachtet. Marek wußte nicht, woher er gekommen war, doch beim ersten Anblick bereits spürte er ein gewisses Kribbeln in den Adern, holte tief Luft, schluckte noch einmal und fragte flüsternd. »Negru?«
    Der Mann nickte.
    Marek wollte lächeln, doch seine Mundwinkel zuckten nur, als er sah, daß sein Freund weinte.
    »Marek, mein Gott, du bist hier!«
    Einen Moment später lagen sich die beiden Männer in den Armen, und auch der Pfähler konnte seine Tränen nicht zurückhalten…
    ***
    Jetzt waren sie wieder zusammen, aber es war nicht mehr so wie früher, als beide noch zur jüngeren Generation zählten. Dennoch spürte jeder die Freundschaft des anderen. Sie hatten auch nicht viel zu sagen sie standen nur da, schauten sich an, wirkten ein wenig verlegen, bis Negru sagte: »Auch du hast dich verändert.«
    »Das bringt die Zeit mit sich.«
    Negru nickte. »Wir alle haben uns verändert, denke ich. Sowohl äußerlich als auch innerlich.«
    »Das stimmt.« Marek schaute seinen Freund an, der größer war als er und ziemlich müde aussah. Vielleicht auch traurig und vom Leben enttäuscht. Sein Haar war schütter geworden, das Gesicht hager, unter den müde wirkenden Augen hatten sich Tränensäcke gebildet, das Kinn wirkte eingefallen, und der Mund sah aus wie eine verlebte Blüte. Er trug ein weißes Hemd ohne Kragen, eine alte Hose, die von dünnen Trägern festgehalten wurde. Seine Füße steckten in dicken Schuhen, die ziemlich schmutzig aussahen.
    »Jedenfalls bist du da«, sagte der alte Freund. »Das gibt mir wieder etwas Hoffnung.«
    »Die brauchst du auch«, erwiderte der Pfähler.
    »Wieso?«
    »Man sieht es dir an.«
    Negru winkte ab. »Das Leben ist mit mir nicht eben freundlich umgegangen. Es war nicht mal eine Achterbahn, wie man so schön sagt. Ich habe fast immer im Tal gesteckt. Ich sitze auf dem Grund und komme nicht mehr hoch.«
    »Darf ich dir dabei helfen?«
    »Gern.«
    Marek deutete auf seine Tasche. »Wo wohnst du?«
    »Komm mit, aber erwarte nicht zuviel. Du hast sicherlich gesehen, wie es hier in der Gegend aussieht. Damit kann man nicht angeben, denke ich, nein, das kann man nicht.«
    Er ging, und Marek folgte ihm. Frantisek zeigte sich über den Zustand seines Freundes erschüttert. Daß es ihn so tief getroffen hatte, damit hatte er nicht rechnen können.
    Beide gingen an den Schuppen vorbei und sahen vor sich das Dorf liegen.
    Einen grauen, namenlosen Ort, der die Bezeichnung Dorf nicht verdiente, denn es war kaum mehr als eine Ansammlung alter Hütten.
    Keine Farbe, alles war grau. Es gab keine Straßen, nur unbefestigte Wege.
    »Hier lebe ich«, sagte Negru. Er deutete nach vorn. »Siehst du dort die Bäume, die aussehen wie gepudert und ihr Grün längst
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