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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge
Autoren: Alison Goodman
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längst klar war, dass Ryko auf dem Goldenen Pfad zu seinen Vorfahren wandelte.
    Hinter mir hörte ich Dela erstickt schluchzen. Bei diesem Geräusch sah Meister Tozay auf und winkte uns heran.
    »Lady Drachenauge«, sagte er leise und führte mich an seinen Platz bei der Pritsche.
    Wir hatten um der Sicherheit willen vereinbart, meinen Titel nicht zu nennen, doch ich sagte nichts. Mit diesem Verstoß brachte Tozay zum Ausdruck, wie hoch er Rykos pflichtbewusstes Leben achtete.
    Vida folgte eilig dem Beispiel ihres Vaters und machte Dela Platz. Das Mädchen war kaum älter als ich mit meinen sechzehn Jahren, doch sie trat mit stiller Würde auf, einem Erbteil ihres Vaters. Von der Mutter hatte sie das stete Lächeln und ihre praktische Art, die vor nässenden Wunden und besudelten Laken nicht zurückschreckte.
    Dela kniete sich hin und legte ihre Rechte auf Rykos unverletzte Hand. Er rührte sich nicht. Auch nicht, als der Kräuterheiler vorsichtig seine andere, verletzte Hand nahm und sie in die heiße Schüssel tauchte. Der Dampf roch nach Knoblauch und Rosmarin – guten Mitteln, die das Blut reinigten –, doch der Arm sah nicht so aus, als könnte man ihn noch retten.
    Ich bedeutete dem Flehenden, mit der Anrufung Sholas aufzuhören. Es war nicht nötig, die Todesgöttin auf Ryko aufmerksam zu machen. Sie würde auch so bald eintreffen.
    »Ist er noch einmal zu sich gekommen? Hat er etwas gesagt?«, fragte ich.
    »Nichts Verständliches«, erwiderte Tozay und warf einen raschen Blick auf Dela. »Es tut mir leid, aber ihr müsst beide gehen. Meinen Kundschaftern zufolge ist Sethon hierher unterwegs. Wir kümmern uns weiter um Ryko und suchen nach dem Perlenkaiser, doch Ihr müsst im Osten bei Lady Delas Stamm Zuflucht suchen. Wir treffen uns mit Euch, sobald wir Seine Hoheit gefunden haben.«
    Tozay hatte recht. Obwohl der Gedanke, Ryko zu verlassen, mir auf der Seele lag wie ein Mühlstein, durften wir unseren Aufbruch nicht länger hinauszögern. Der Osten war unsere beste Chance und dort war überdies der Herrschaftsbereich meines Drachen, ihre Machtbastion. Vielleicht würde meine Anwesenheit in der Hochburg ihrer Kraft unsere Verbindung stärken und mir helfen, die wilde Magie zu beherrschen. Und womöglich konnte der Spiegeldrache sich die zehn beraubten Drachen – falls sie noch einmal auftauchen sollten – dort besser vom Leib halten.
    Dela warf dem Anführer des Widerstands einen strengen Blick zu. »Dieses Thema kann doch sicher warten, bis –«
    »Ich fürchte, nein, Lady«, gab Tozay sanft, aber unnachgiebig zurück. »Ihr müsst Euch verabschieden, und zwar rasch.«
    Sie senkte den Kopf, bemüht, sich mit seiner unverblümten Sachlichkeit abzufinden. »Meine Leute verstecken uns außerhalb von Sethons Reichweite«, erwiderte sie schließlich, »aber das Problem wird ihnen an die Nieren gehen.«
    Tozay nickte. »Solly und Vida werden euch begleiten.«
    Ich sah, wie Vida sich hinter Dela straffte. Wenigstens eine von uns war bereit, die Herausforderung anzunehmen.
    »Sie wissen, wie man die Verbindung zu anderen Widerstandsgruppen herstellt«, fügte Tozay hinzu, »und können sich als eure Diener ausgeben. Ihr werdet nur eines von vielen Kaufmannspaaren auf einer Wallfahrt in die Berge sein.«
    Dela richtete den Blick wieder auf Ryko. Sie hob seine reglosen Finger an die Wange und im Licht der schwankenden Lampe sah man den kummervollen Ausdruck in ihren Augen.
    »Das kann schon sein«, meinte ich und wandte den Blick von diesem zärtlichen Bild ab, »aber jeder Ausrufer verbreitet unsere Beschreibung und zudem hängt sie an jedem Baum.«
    »Bisher werdet Ihr noch als Lord Eon beschrieben«, sagte Tozay. Sein Blick huschte über meinen aufrechten, starken Körper. »Und als verkrüppelt. Und die Beschreibung von Lady Dela fordert alle auf, nach einem Mann oder nach einer Frau zu suchen, ist also ebenso nutzlos.«
    Ich wurde noch immer als Lord Eon beschrieben? Dabei war ich fest davon ausgegangen, Ido habe Sethon erzählt, dass ich ein Mädchen bin – sei es unter Zwang, sei es, um etwas mit ihm auszuhandeln. Es ergab keinen Sinn, dass er mich schützte. Vielleicht hatten der Spiegeldrache und ich Idos Wesen tatsächlich verändert, als wir seinen verkümmerten Herzpunkt heilten und seinem Geist Mitleid aufzwangen. Immerhin hatte diese erste Vereinigung mit meinem Drachen auch meine Hüfte geheilt. Ich legte die Hand auf meine Gürteltasche, in der ich die Totentafeln meiner Vorfahren Kinra und
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