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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wollen, hätte es so ausgesehen.
    Er schauderte. Er hatte nie etwas so Perfektes gesehen. Und niemals etwas, das ihn gleichzeitig so erschreckte. Wenn er noch Zweifel an Drasks Worten gehabt hatte, hatte sie dieser Anblick beseitigt. Kein Mensch konnte so perfekt sein.
Warum mußte sich das Böse hinter der Maske absoluter Schönheit verbergen?
Wieder glitt seine Hand zum Schwert, und wieder führte er die Bewegung nicht zu Ende. Seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr. War es schon zu spät? dachte er. Hatte der bloße Anblick, die bloße Nähe seines Sohnes schon ausgereicht, ihn seines Willens zu berauben? Ihn wieder zu dem Werkzeug zu machen, als das sie ihn schon einmal benutzt hatten? Skar stöhnte, krümmte sich wie unter Schmerzen und versuchte das Schwert zu ziehen, aber es ging nicht, er war gelähmt, starr, unfähig, sich zu bewegen. Ein schwarzer Wirbel entstand hinter seiner Stirn, wuchs und wuchs und umschlang mit rauchigen Armen seine Gedanken. Der Junge schlief weiter, aber etwas — etwas Entsetzliches, das in ihm war — spürte Skars Anwesenheit, und es wußte, warum er hier war und wehrte sich mit verzweifelter Kraft. Skar keuchte wie unter Schmerzen, schloß die Augen und versuchte, das Bild Syrrs herbeizuzwingen, ihr blutüberströmtes, erstarrtes Gesicht, den Ausdruck von ungläubigem Entsetzen und Schmerz, den er in der allerletzten Sekunde ihres Lebens darin gesehen hatte.
    Es gelang ihm. Der schwarze Wirbel in seinen Gedanken blieb, aber plötzlich war der Zorn da, der gleiche, entsetzliche Schmerz, den er verspürt hatte, als Syrr in seinen Armen starb, und er gab ihm Kraft. Seine Hand senkte sich auf das Schwert und zog es halb aus der Scheide.
    In diesem Moment erwachte der schlafende Junge. Und Skar blickte in seine Augen.
    Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Der Junge hob die Lider und sah ihn an, aber seine Augen waren nicht klar, sein Blick blieb verschleiert. Und im gleichen Moment, in dem er erwachte, ging eine entsetzliche Veränderung mit seinem Göttergesicht vonstatten.
    Seine Züge erschlafften. Gerade anders herum, als es normal gewesen wäre, wich jegliche Spannung und Glätte aus ihnen, als er den Schlaf abschüttelte. Die Mundwinkel des jungen Satai sanken herab wie bei einem traurigen Clown. Glitzernder Speichel erschien in kleinen feuchten Bläschen auf seinen Lippen und begann an seinem Kinn herabzulaufen. Einen Herzschlag lang starrte er Skar erschrocken an, dann erschien ein dümmliches Lächeln auf seinen Zügen. Er setzte sich auf; viel umständlicher, als nötig gewesen wäre. Sein Kopf pendelte dabei von rechts nach links und wieder zurück, als wäre er zu schwer für den Hals.
    Der Blick, mit dem er Skar ansah, war der eines Idioten.
    Der Junge war schwachsinnig. Die Natur hatte seinem Geist genommen, was sie seinem Gesicht zu viel gegeben hatte. Er war ein Riese, ein Gigant mit dem Gesicht und der Stärke eines jungen Gottes. Und dem Geist eines Kindes.
    Skar löste die Hand vom Schwert, hob die Arme und ballte die Hände vor dem Gesicht zu Fäusten, so fest, bis er vor Schmerz aufstöhnte und Blut unter seinen Fingernägeln hervorkroch.
    Dies also war sein Erbe. Das war es, was er seinem Sohn mitgegeben hatte, die Macht der Götter, vor Äonen in den Genen seiner Vorfahren verankert, aber gefangen in einem zerstörten Geist. Vielleicht mußte es so sein, dachte er, in dem fast verzweifelten Versuch, einen Grund zu finden, nicht wahnsinnig zu werden.
    Er hatte die geballte Macht gespürt, die in der Seele des Kindes lauerte, damals, als er gerade geboren war und er ihm das erste Mal in die Augen blickte, eine Macht, die fähig war, Welten zu verheeren und die Götter selbst zu stürzen. Vielleicht war kein menschlicher Geist fähig, mit diesen Gewalten zu leben, ohne sich selbst zu verzehren, daran zu verbrennen wie eine Motte, die dem Licht zu nahe gekommen war.
    Der Blick des Jungen war seinen Bewegungen aufmerksam gefolgt. Er lächelte blöde, hob die Hand und griff nach Skars Schulter, berührte ihn aber nicht. »Wer bist du?« fragte er. Seine Stimme war eindeutig die eines Idioten, aber sie war trotzdem sehr klar und wohltönend. Jedes einzelne Wort brannte wie Säure hinter Skars Stirn.
    Skar schluckte den bitteren Kloß herunter, der in seiner Kehle saß, atmete tief ein und aus und wieder ein und zwang sich zu einem Lächeln. Tränen liefen über sein Gesicht, aber er spürte es nicht einmal. »Ich bin Skar«, sagte er.
    »Skar?« Der Junge legte den
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