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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geblieben. Er war jetzt nur noch ein großes, verängstigtes Kind, das zu begreifen begann, daß es einen schrecklichen Fehler begangen hat und sich mit aller Kraft gegen diesen Gedanken zu wehren versucht.
    »Dann komm«, sagte Seshar. »Wir haben einen weiten Weg vor uns. Und uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«

Sie ritten zwei Stunden in scharfem Tempo nach Süden, über schritten die Grenzen Cearns und drangen mit unverminderter Geschwindigkeit in die Wüste vor. Skar verspürte ein aberwitziges Gefühl der Heimkehr, als sie aus dem Wald hinaussprengten und die sanft gewellte Unendlichkeit der Nonakesh wieder vor ihnen lag. Es war heiß, noch heißer als sonst. Der Himmel hatte eine bleigraue, abweisende Färbung angenommen, und der Wind schien mit unzähligen spitzen Krallen auf ihre Körper einzuschlagen, als biete die Wüste noch einmal alle Kräfte auf, um die schon sicher geglaubte Beute nicht noch im letzten Moment entkommen zu lassen. Die Nonakesh hatte sie nie wirklich losgelassen, das spürte er. Etwas von ihrer schweigenden Präsenz war die ganze Zeit über in ihm gewesen und hatte, ohne daß er sich dessen bewußt geworden wäre, sein Denken und Handeln beeinflußt.
    Er ermüdete rasch, und er sah, daß es den anderen nicht besser erging — mit Ausnahme Seshars, der mit einer Eleganz, die seinem Alter und seiner ausgemergelten Gestalt hohnsprach, auf dem Rücken seines Tieres hockte und ihr Tempo bestimmte. Mit jedem Mal, daß sie die Nonakesh betraten, schienen ihre Kräfte schneller zu schwinden. Nach einer Zeit, deren Dauer Skar zu schätzen nicht imstande war, verringerte Seshar sein Tempo; nicht aus Müdigkeit, sondern um den immer häufiger auftretenden Khtaäm-Spuren auszuweichen, die wie stumme Begleiter mit ihnen nach Süden zogen. Die Landschaft begann ihren Charakter zu verändern. Die Hügel wurden flacher, und der Sand ähnelte einer harten, zusammengebackenen Masse, auf der sich das monotone Hämmern der Pferdehufe anhörte, als schlüge Stahl auf Stein. Skar fühlte sich mehr und mehr an jene schwarze, schimmernde Ebene aus seinem Alptraum erinnert, auch wenn der Boden hier hell und fast weiß war und das Sonnenlicht wie ein gigantischer, gnadenloser Spiegel reflektierte. Die Spuren der Khtaäm wurden seltener und endeten immer öfter in flachen, zerborstenen Kratern, als wäre die Erde zu hart geworden, um den Tieren ein Hindurchgraben zu ermöglichen, und einmal preschten sie in einer Entfernung von höchstens zwanzig Metern an einer Gruppe der kleinen schwarzen Monster vorbei, ohne daß die Tiere von ihrem Auftauchen auch nur Notiz genommen hätten.
    Obwohl die Hitze ständig zu steigen schien, kamen sie jetzt leichter voran. Die Hufe der Pferde fanden auf dem harten Boden sicheren Halt, und sie legten Meile um Meile zurück, ohne anzuhalten oder von ihrem Kurs abzuweichen. Gegen Mittag tauchte ein dunkler, verschwommener Fleck vor ihnen am Horizont auf. Seshar wandte sich halb im Sattel um und sagte etwas in seiner Heimatsprache, das Skar nicht verstand. Er unterstrich das Wort mit einer winkenden, ungeduldigen Bewegung und trieb sein Pferd zu schnellerem Laufen an. Das Tier wieherte unwillig, gehorchte aber trotzdem und fiel in einen schnellen, langgestreckten Galopp.
    Der verschwommene Fleck am Horizont wuchs langsam zu einem runden, aus verwittertem braunen Sandstein errichteten Turm heran, der wie der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr in den Himmel ragte. Sein messerscharf gezogener Schatten wies nach Norden, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren; eine letzte, stumme Mahnung, umzukehren und einen anderen Weg zu suchen Sie galoppierten in weitem Bogen um das Gebäude herum und hielten vor einer halbrunden, mit einem schweren rostigen Gitter verschlossenen Tür an. Seshar sprang aus dem Sattel und zog eine silberne Kette, an der ein Schlüssel befestigt war, unter seinem Hemd hervor. Skar wollte absitzen, aber der König hielt ihn’ mit einem raschen Kopfschütteln zurück. »Bleibt in den Sätteln«, sagte er. »Wir werden die Pferde noch brauchen.«
    Skar gehorchte achselzuckend, und Seshar machte sich mit nervösen Bewegungen am Schloß zu schaffen. Skar fiel auf, wie zernarbt die Steine des Turmes waren.
    Das Gebäude mußte unermeßlich alt sein. Aber es war keineswegs unbewohnt —der Boden vor dem Eingang war in weitem Umkreis zertrampelt und aufgewühlt, als wären erst vor kurzer Zeit zahlreiche Menschen hier ein- und ausgegangen. Seshar sperrte das Tor
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