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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht
Autoren: Gail Carriger
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sie auf die zwei lateinischen Bezeichnungen »Häutejäger« und »Seelenstehler« achtete, doch nichts von beiden schien noch irgendwo Erwähnung zu finden. Sie fragte sich, ob sie Herrn Lange-Wilsdorf von ihrer Entdeckung erzählen sollte.
    Das erübrigte sich, denn an diesem Abend brachte ihr der Präzeptor die Mahlzeit, und sie sagte sich, dass sie ihn über diese Sache ausfragen könnte.
    Sie nahm sich Zeit und arbeitete sich langsam zu dem Thema vor. Zuerst fragte sie ihn höflich, wie sein Tag gewesen war, und hörte sich an, wie er seinen Tagesablauf herunterleierte – also wirklich, wer wollte schon sechs Mal am Tag an einem Stundengebet teilnehmen? –, während sie ihre Pasta in der allgegenwärtigen grünen Soße aß. Der Präzeptor hatte die langen, dünnen Nudeln »Spa-klecker-ti« oder so ähnlich genannt. Alexia war das ziemlich egal, solange nur Pesto drauf war.
    Schließlich sagte sie: »Ich habe heute in Ihren Aufzeichnungen etwas Interessantes gefunden.«
    »Ach ja? Ich habe gehört, dass Signore Lange-Wilsdorf sie Ihnen gebracht hat. Und was wäre das für Interessantes?«
    Sie machte eine lässige Handbewegung. »Ach, wissen Sie, da stand etwas über einen Seelenstehler.«
    Der Präzeptor stand so schnell auf, dass er den kleinen Schemel umstieß, auf dem er gesessen hatte. »Was haben Sie gesagt?«
    »Ich glaube, die andere Bezeichnung, die in dem Dokument verwendet wurde, lautete ›Hautjäger‹. Offensichtlich haben Sie schon einmal von diesen Geschöpfen gehört. Vielleicht würden Sie mir gern sagen, wo und in welchem Zusammenhang?«
    Eindeutig geschockt antwortete der Präzeptor, und dabei war es, als bewegten sich seine Lippen, während sein Verstand noch versuchte, mit der Enthüllung fertig zu werden. »Wir kennen Seelenstehler nur als Legenden, doch angeblich sind sie noch gefährlicher als ihr Seelenlosen. Sie werden von den Übernatürlichen wegen ihrer Eigenschaft, gleichzeitig sterblich und unsterblich zu sein, außerordentlich gefürchtet. Die Bruderschaft wurde ermahnt, nach ihnen Ausschau zu halten, allerdings haben wir seit unseren geschichtlichen Aufzeichnungen noch niemals einen entdeckt. Sie glauben, das ist es, was Ihr Kind ist?«
    »Was würden Sie mit so einem Seelenstehler tun, wenn Sie einen fangen?«
    »Das würde davon abhängen, ob wir ihn kontrollieren könnten oder nicht. Man darf nicht zulassen, dass sie sich frei bewegen, nicht mit dieser Fülle von Macht.«
    »Welcher Art von Macht?« Alexia versuchte, unschuldig zu klingen, während sie unmerklich die Hand langsam an der Seite ihres kleinen Hockers hinunterwandern ließ, bereit, ihn unter sich hervorzureißen und ihn als Waffe zu benutzen, sollte es nötig sein.
    »Ich weiß nur, was in unseren erweiterten Ordensregeln geschrieben steht.«
    »Ach ja?«
    Er rezitierte: »›Vor allen Dingen soll, wer auch immer ein Bruder deines Ordens und deines Glaubens ist, im Namen der heiligen Gerechtigkeit all jenen Kreaturen den Tod bringen, die sich gegen Gott stellen und einen Mann ins Höllenfeuer führen: dem Vampir und dem Werwolf. Denn jene, die nicht unter der Sonne wandeln, und jene, die unter dem Monde kriechen, verkauften ihre Seelen für den Geschmack von Blut und Fleisch. Überdies ruhe kein Bruder in seiner heiligen Pflicht reiner Wachsamkeit und standhafter Beharrlichkeit gegen jene Unglücklichen, die der Sünde und Verdammnis anheimgeboren sind, der teuflischen Brut der Seelenlosen. Und letztlich sei den Brüdern hiermit aufgetragen, sich nur zu verbrüdern mit den Unverdorbenen und das Übel des Geistes in jenen zur Strecke zu bringen, welche sowohl wandeln als kriechen und welche die Seele reiten wie ein Ritter sein Ross.‹«
    Während er sprach, wich er immer weiter vor Alexia zurück in Richtung Zellentür. Der Blick seiner Augen schlug sie beinahe wie hypnotisierend in den Bann. Wie schon während des Kampfes in der Kutsche waren sie nicht länger tot.
    Alexia Tarabotti, die Lady Maccon, hatte im Laufe der Jahre schon viele Gefühle bei den Leuten hervorgerufen – meistens Frustration, wie sie sich reumütig eingestehen musste –, doch noch nie zuvor war sie die Ursache für so abgrundtiefen Ekel gewesen. Beschämt sah sie an sich hinab. Schätze, es ist doch keine so gute Sache, ein Seelenstehler zu sein, mein Kind. Nun ja, mach dir nichts daraus. Templer mögen anscheinend niemanden.
    Als sie den Blick wieder hob, sah sie aus den Augenwinkeln etwas Rotes aufblitzen, das den Korridor entlang
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