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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)
Autoren: Sonia Mikich
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Ärztevereinigung? Bei den Krankenhausträgern? Und dann noch die Demografie, und dann noch das Berufsethos, und dann noch die Privatisierung. Der Blick auf Alternativen? Verstellt vom schieren Ausmaß der Defizite. Da veröffentlicht im September 2012 der MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen) eine erschreckende Statistik: 12686 Patienten warfen ihren Ärzten oder Pflegern Behandlungsfehler vor und wandten sich an ihre Krankenkasse, in fast jedem dritten Fall waren die Vorwürfe berechtigt, wie Gutachter bestätigten. Dürre Zahlen, die nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen. Die allermeisten Patienten beschweren sich erst gar nicht, möchten vergessen. Denn man kann ja doch nichts ändern … Wen wundert es, dass viele Menschen in Deutschland allein bei dem Gedanken, ins Krankenhaus zu müssen, Angstzustände bekommen. Sie haben Angst vor unnützen Operationen, verstehen Diagnosen und Therapien nicht, leiden unter schlechter Kommunikation. Groß ist die Furcht vor dem Alleingelassenwerden. Was für ein trauriges Zeugnis für eine moderne, wohlhabende Gesellschaft!
    Duldungsstarre angesichts großer Probleme habe ich noch nie gut ertragen, Kopf und Herz lehnen sich dagegen auf. Ich glaube zutiefst an Aufklärung. Es darf nicht sein, dass sich nichts bessern lässt. Mails, Briefe, Anrufe von vielen fremden Menschen haben mich in dieser Überzeugung bestärkt. Und tatsächlich waren all die fremden Menschen Auslöser für dieses Buchprojekt. Denn es schwang in den Zuschriften eine leise Aufforderung mit, das Thema nicht einschlafen zu lassen. Zu einer öffentlichen Diskussion beizutragen. Vertrauen gegen Vertrauen: Unbekannte Menschen teilten mit mir ihre Erfahrungen und ihre Expertise. Schickten sogar Gedichte und Bilder. Mit einigen traf ich mich, und die langen Gespräche taten der Expatientin gut, und der Journalistin halfen die später entstandenen Protokolle durchzublicken. Einige Informanten wollten anonym bleiben, weil sie keinen Ärger am Arbeitsplatz gebrauchen konnten. Andere brauchten nur eine kleine Unkenntlichmachung, und manche wollten Stellung beziehen. Niemand machte die Kollegen schlecht.
    Die »Protokolle aus dem Leben« sind der Kitt, der die Analysen festigt. Und ich weiß seitdem, dass meine Erlebnisse kein Einzelfall waren, sondern systembedingt, dass ich meinem Urteil vertrauen darf.
    Ich habe zwei Medizinjournalisten gebeten, zu prüfen und zu erklären, warum wir zu Recht von der Ware Gesundheit sprechen. Jan Schmitt und Ursel Sieber haben schon oft kritische Fernsehberichte und Dokumentationen zu diesen Themen gemacht. Sie kennen die wissenschaftlichen Studien, sie haben Leidende, Wütende, Sterbende begleitet. Und haben schon lange ein Netz an Informanten und Experten. Sie erkennen an, dass das Gesundheitssystem in Deutschland große Vorteile hat. Aber sie wollen die öffentliche Diskussion weitertreiben in der unerschütterlichen Hoffnung, dass das Bessere der Feind des Guten ist.
    Darum ist dieses Buch ein Hybrid geworden – intim und investigativ, persönlich und politisch. Das passt zu unserem Anliegen. Nämlich Ihnen, den Leserinnen und Lesern, Erlebnisse und Fakten aus der Krankenhauswelt nahe zu bringen, um die Entmündigung hoffentlich zu überwinden. Um eine Situation, die viele als Krise erleben, transparenter zu machen. Um Ängste abzubauen, indem wir Missstände klar benennen. Um zu zeigen, wie und wo Stärke zu holen ist. Ich stelle mir manchmal vor, dass Patienten, Medizinstudenten, ein paar Lobbyisten, ein paar Aktivisten die Schilderungen miteinander bereden und sich vornehmen, die Dinge anders zu gestalten. Wir können nicht hinnehmen, dass sich nichts bessern lässt.
    Etwas Selbstverständliches will ich aussprechen: Viele Krankenhausärzte, Pflegerinnen und Pfleger sind wunderbare, sensible Profis, die an ihre Grenzen gehen, um anderen zu helfen. Sie arbeiten mehr, als sie müssen. Sie retten Leben, sie heilen Sieche, sie lindern Schmerzen. Ich erlebe es in diesen Monaten, in Echtzeit sozusagen, denn meine 82-jährige Mutter hat überraschend einen Speiseröhrenkrebs diagnostiziert bekommen und wird sehr warmherzig im Evangelischen Krankenhaus in Herne behandelt. Sie hat gütige Menschen um sich herum und weiß über jeden Schritt der Behandlung Bescheid.
    Ich selbst bin immer wieder während jenes Sommers 2011 von einem (nichtbeteiligten) Arzt aufgeklärt und getröstet worden. Er nahm sich Zeit, befreite mich von der
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