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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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hinabging. Namensschild und Klingel bewahrten Pieplow vor neuerlichen Peinlichkeiten. Armin und Gesine Manthey. Die jungen Mantheys, wie man im Dorf sagte. Pieplow war der Frau nur ein paar Mal begegnet, seit sie das Haus vor ein paar Jahren geerbt hatten, das leer stand, wenn seine Besitzer es nicht bewohnten und die Pflege des großen Gartens Manfred Graber überließen. Pieplow drückte auf den Knopf.
    Der Mittvierziger, der ihm öffnete, hatte sich gut gehalten. Braungebrannt, groß, muskulös. Blätter einer großformatigen Zeitung in der einen, Brille in der anderen Hand. Leutselig und höflich mit einem Hauch Ironie, das war Pieplows Eindruck.
    »Was kann ich für Sie tun, Herr Wachtmeister?« Erstens war der Dienstgrad nicht korrekt und zweitens klang er so, wie Manthey ihn aussprach, mehr nach Nachtwächter.
    Es gehe, erläuterte Pieplow, um Wanda Sieveking, die alte Dame aus dem Haus schräg gegenüber am Weg ins Hochland. Sie sei heute Nacht an der Steilküste tödlich verunglückt. Und darum, ob die Nachbarn vielleicht etwas bemerkt hätten, das möglicherweise im Zusammenhang mit dem Sturz stehen könne.
    »Das ist ja furchtbar!« Manthey war sichtlich betroffen. »Wer war das, sagten Sie?«
    Pieplow beschrieb Wanda, wie er sie in Erinnerung hatte. Eine stattliche Siebzigjährige, die jünger wirkte, als sie war. Graues Haar, meist weite, helle Kleidung. Hose und Bluse. Seltener Kleider. Und ihr Weg hatte sie ganz gewiss des Öfteren hier vorbeigeführt. Wenn sie zum Einkaufen wollte, zum Beispiel. Oder in die Kirche. Zum Hafen.
    Manthey machte ein nachdenkliches Gesicht. »Gut möglich, dass wir ihr begegnet sind, aber dass ich jetzt konkret wüsste, wer das ist, kann ich nicht sagen. Außerdem – als Zeugen für einen Unfall oben an der Steilküste sind wir dann vielleicht doch etwas weit weg, nicht wahr?« Manthey zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Stimmt«, räumte Pieplow ein. »Trotzdem wäre es ja möglich, dass die Nachbarn etwas bemerkt haben, das für unsere Ermittlungen von Bedeutung ist.«
    Manthey hob bedauernd die Hand mit der Brille und setzte sie bei der Gelegenheit auch gleich auf die Nase. »Tut mir leid, dass ich in dieser traurigen Angelegenheit nicht weiterhelfen kann.« Für ihn war es an der Zeit, sich wieder der Lektüre zu widmen.

3
    Der Streifenwagen rollte über das glatte Pflaster der Straße von Kloster nach Grieben. Auf dem Rücksitz lag, was Schöbel mitgenommen hatte. Viel war es nicht. Ein gelber und ein blauer Ordner. Alles andere, Briefe, Fotos und was sonst von Bedeutung sein konnte, war im Haus geblieben und wartete auf die Spurensicherung.
    »Ihre Frau?«, fragte Schöbel.
    Pieplow starrte auf die Radfahrer vor sich und verstand nicht gleich, wer gemeint war.
    »Vorhin am Telefon«, half Schöbel nach.
    Schön wär’s, dachte Pieplow, aber daraus ist nichts geworden. Bisher wenigstens nicht. Und wie’s aussah, würde sich das auch nicht ändern. Dass aus Freundschaft mehr wurde, gab’s nur in Schlagern.
    »Nein«, sagte er. »Das war Marie, die Mutter von Leonie.«
    Wer Leonie war, wusste Schöbel. Es gab Bilder, die erinnerte man nach Jahrzehnten noch. Und das von Marie, wie sie weinend ihr Kind in den Armen birgt, war gerade mal vier Jahre alt.
    »Ich hoffe, es geht den beiden gut.« Schöbel nahm den Blick von der Straße und musterte Polizeiobermeister Daniel Pieplow, ohne den die Geschichte damals vielleicht in einer Katastrophe geendet hätte.
    »Eigentlich schon.« Pieplow zögerte mit der Antwort. Wog ab, was Schöbel etwas anging und was allein Maries Angelegenheit war. »Im Mai ist Leonie vier geworden. Neugierig, fröhlich und dauernd in Bewegung. Sie kann ein ziemlicher Querkopf sein, aber das ist wohl normal. Erst recht für eine Hiddenseerin.« Unwillkürlich musste er lächeln. Eine vierjährige Hiddenseerin war sozusagen der Inbegriff von Dickschädeligkeit und Durchsetzungswillen.
    »Und Marie?« Schöbel hatte das eigentlich weder überhört noch vergessen.
    »Na ja«, sagte Pieplow gedehnt. »Es hat eine Weile gedauert, bis sie über alles hinweg war. Aber seitdem geht es ihr gut. Obwohl der letzte Winter schwer für sie war. Ihre Tante … Josefine Gau ist im Frühjahr gestorben.« Pieplow nahm an, dass Schöbel wusste, was er meinte. Dass der Tod am Ende eines langen Lebens nichts war, was Marie aus der Bahn warf. Nichts, was ihr die Welt zum Feind machte, auch wenn trotz aller Hilfe an Erholung oder Schlaf kaum zu denken gewesen
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