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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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abgenutzten grauen Teppich zu laufen. Seine Schritte machten kein Geräusch. Ubu hielt den Blick auf die Tastatur gerichtet. Seine Augen brannten. Er schluckte schwer.
    Sein Vater löste sich mit einem britzelnden Interferenzmuster auf. Das Navigationsdiagramm erschien wieder. Ubu starrte es hoffnungslos an. Der Schmerz zerrte wie mit Klauen aus gehärtetem Stahl an seinem Herzen.

    Der Mudviller spielte immer noch Siebzehn-und-Vier, hatte noch das gleiche seltsame, glasige Lächeln im Gesicht. Er verlor nach wie vor und redete sich immer noch ein, daß er einen Haufen Spaß hatte. Maria sog die verräucherte Luft in ihre Lungen. Sie lehnte sich an die Blackhole-Kabine. Ihre Beine wollten sie nicht tragen.
    Sie hatte zwei Flüge mit maximalen Gewinnchancen gemacht und beide mit mehr als vierzig zu eins gewonnen. Beim zweitenmal hatte ihr der Apparat ein halbes Dutzend Hindernisse in den Weg gelegt, und jedesmal hatte sie seine Entscheidung rechtzeitig genug gespürt, um darauf zu reagieren, den Ablauf zu ändern und einen sicheren Sieg davonzutragen. Aber die Interaktion mit der Elektronenwelt hatte sie erschöpft. Das Rot Neun knisterte noch in ihren Nervenbahnen und drängte sie, in die Kabine zurückzukehren, aber ihr Geist kreiste in einer Phantomwelt, wo Elektronen auf ihren Bahnen dahinschossen und wie seltsames, schweres Licht pulsierten … ihre Konzentration war weg, war in den Schichten ihrer Wahrnehmungen hängengeblieben. Die schöne Maria holte tief Luft und langte in die Tasche ihres Gewands. Sie nahm ein paar Kapseln Blau Sieben, das ›Blauer Himmel‹ genannt wurde, und schluckte sie trocken hinunter. Sie würden den Tatterich abstellen, den sie vom Rot Neun hatte.
    Es war Zeit, irgendwo hinzugehen, wo es kühl und still war. Sie holte ihren Kreditjeton wieder heraus und ging zwischen den beleuchteten Tischen hindurch. Von jedem Tisch schlugen ihr elektrische Impulse entgegen. Der Rausschmeißer drehte den Kopf, als sie zur Tür kam, und schaute sie über den affektierten Kneifer hinweg an. »Pech gehabt, Shooterfrau?« sagte er, wobei er ihren schwankenden Gang falsch interpretierte. »Brauchst du Kredit? Ich lade dich zum Essen ein und stell dich ein paar Freunden vor. Touristen. Ich weiß, die werden dich mögen, Shooterfrau.«
    »Ich hab gewonnen«, sagte Maria und drückte aufs Türschild.
    Der Rausschmeißer ließ seine Metallzähne aufblitzen. »Hab ich dir doch gesagt, hm? Shooter haben Glück beim Blackhole. Wie war’s, gehn wir was essen?«
    »Wichser.« Maria verließ die Sternenstadt und stapfte barfuß die nichthaftende Oberfläche der schmalen Schaumstofframpe hinunter. Als ihre Füße die Straße berührten, roch sie am Spieß gebratenes Retortenlamm und hörte einen Schwall Striffmusik, als die Tür einer nahegelegenen Bar aufschwang. Rot Neun lief ihr den Rücken hinauf und hinunter. Farben schienen am Rand ihres Sichtfelds zu wabern. Sie kaufte an dem Stand etwas von dem Lamm, rollte es in ein Stück Chapati – ungesäuertes Weizenmehlbrot – und aß es, während sie das lange, dunkle Metallband der Straße entlangschlenderte …
    Eine Stunde später – das Blau Sieben beruhigte sie – saß sie in einer Bar und trank Granatapfelsaft mit Elektrolytersatz, während sie einem Shooter zuhörte, der einen glasigen Blick hatte und mit Hilfe eines zusätzlichen Armpaars Lickklavier spielte. Der Mann war nicht schlecht, aber seine Interpretationen waren für Marias Geschmack zu konventionell, zu wenig risikofreudig. Maria merkte, wie es ihr in den Fingern juckte, sich an die Tasten zu setzen.
    »Kann ich dich auf ‘nen Drink einladen?«
    Er war ein Shooter, vermutete sie, oder ein Syster, der sich wie ein Shooter kleidete. Er sah nicht so eckig und scharfkantig aus wie jemand, der mit Hormonverstärkern aufgewachsen war; er wirkte ein wenig weicher. Zwei Arme und zwei Beine. Fünf Zentimeter kleiner als sie. Olivbraune Haut, kurzgeschnittene, lockige schwarze Haare. Vielleicht fünfzehn oder sechzehn, wenn er nicht hormonbehandelt war – gemont, wie man das nannte. Er hatte eine Flasche Lark in der Hand.
    »Ich trink nicht so oft Alkohol«, sagte sie.
    »Wie wär’s dann mit Stoff?«
    Maria legte den Kopf in den Nacken und lachte. Er verstand die Botschaft: Sie war schon high. »Und das, was du da trinkst?«
    »Ich hab schon. Aber wir können uns unterhalten, wenn du willst.«
    Das Lickklavier ging zu ein paar Interpretationen über, die gewagt wirken sollten. Auf jedem Keyboard
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