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Engelspakt: Thriller (German Edition)

Engelspakt: Thriller (German Edition)

Titel: Engelspakt: Thriller (German Edition)
Autoren: Alex Thomas
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betrat das Bild, als wäre er hineingestoßen worden, als wäre er eine Stufe hinabgestolpert, die er zuvor nicht gesehen hatte. Nun stand er in dieser Welt, in diesem seltsamen Zimmer, das durch die Anwesenheit des Greises um einiges größer erschien als die gesamte Welt dort draußen.
    Ein Kreuz hing über der Tür gegenüber dem Bett, in dem der alte Mann mit dem Käppchen lag. Er war um Jahre älter als auf der Fotografie. Seine Haut war blass, obwohl er in einem Land voller Sonne lebte, und sie war von Falten zerfurcht, auch weil er noch vor wenigen Jahren erheblich beleibter gewesen war als jetzt. Mit weit über achtzig war er geistig noch immer vital, nur sein Körper bereitete ihm trotz der schmerzlindernden Wirkung zahlreicher Medikamente von Tag zu Tag immer mehr Pein. Zu dieser frühen Stunde hatte der alte Mann gerade über den Tod nachgedacht und sich gefragt, wie er ihn wohl erleben würde. Schnell und bis zum Ende bei vollem Bewusstsein? Oder langsam und bar jeden Verstandes?
    Der Mann schlug die Decke zurück, schob die dürren Beine mühsam über die hohe Bettkante und stand langsam auf. Das Zimmer war größer als Davids Zelle, quadratisch und mit einer hohen Decke. Der Greis wirkte darin wie ein Kind in einem zugemauerten Laufstall. Er schaltete den elektronischen Wecker auf stumm, der auf dem Nachttisch zwischen den Medizindöschen und einem dicken, in Leder gebundenen Buch stand.
    David kannte das Buch. Es war das Buch der Bücher. Die Bibel. Die Heilige Schrift. Er hatte es im Institut unter Anleitung eines Lehrers von der ersten bis zur letzten Seite gelesen.
    Der alte Mann schlüpfte in seine Pantoffeln und schlurfte zum Fenster, dicht an David vorbei. Sein dünnes weißes Haar war ohne jede Kraft. Dicke Adern traten auf den schmalen Handrücken hervor. Sein Rücken war schwer gebeugt. Erstaunlicherweise wirkten die Augen nicht alt, sondern waren strahlend blau.
    Der Mann trat hinter die Vorhänge ans Fenster und blickte über einen riesigen Platz in die Ferne. David, der die Welt teils durch seine Augen sah, hielt den Atem an. Die Sonne ging gerade auf und erhellte einen großen, runden Platz mit unzähligen Säulen und Statuen. In der Mitte stand ein hoher, schlanker und spitzer Stein. Dann war da noch ein riesiger Brunnen, dessen Fontänen hoch aufstiegen. In der Ferne erkannte David unzählige Turmspitzen und glänzende Kuppeln in der Sonne und Straßen, die in alle Himmelsrichtungen führten. Der alte Mann blickte hinaus und dachte über sein Leben nach. In dem Moment wurde David über das Bewusstsein des Greises endgültig klar, dass er nicht in die Gegenwart, sondern in eine mögliche Zukunft blickte. Dass die Gedanken des Mannes seine Gedanken waren.
    Sieben Pontifikatsjahre! Sie hatten ihn als Übergangspapst gewählt, und er hatte sie alle überlebt und übertrumpft. Und dennoch schien die Institution, der er vorstand, dem Abgrund so nah wie nie zuvor.
    Der Alte seufzte. War es seine Schuld?
    Sicher, zum Teil. Er hatte sich weder gegen die Kurie noch gegen die dunklen Strömungen innerhalb der Kirche wirklich durchgesetzt. Dann waren da noch über eine Milliarde Katholiken, überall auf der Welt, die rein theoretisch seinen Glauben teilten, nur leider hatte er das ernüchternde Gefühl, keinen Einzigen von ihnen wirklich erreicht zu haben. Er hatte das Gefühl, versagt zu haben. Auf eine andere Art als sein Vorgänger zwar, aber er hatte, trotz all der Siege, versagt. Der Mann holte tief Luft und seufzte.
    Seine Zeit war um. Sein Testament war geschrieben, alle persönlichen Aufzeichnungen und Briefe waren vernichtet. Mehr konnte er nicht tun. Er war zu schwach, um noch irgendetwas zu bewegen. Die Geschichte und Gegenwart der Kirche waren einfach zu groß für eine Lebensspanne, erst recht für ein Pontifikat. Sein Nachfolger würde das Ruder in die Hand nehmen und gegen das Dunkle in der Kirche antreten müssen.
    Bei dieser Überlegung wanderten die Gedanken des alten Mannes zu den beiden Personen, deren Fotos ebenfalls vor David auf dem Tisch in der Isolationskammer lagen. Darauf waren ein Mann in schwarzem Gewand mit rotem Saum und silbergrauem Haar und eine blonde Frau in einem schlichten schwarzen Kostüm zu sehen, das an ein Ordensgewand erinnerte. David spürte, dass zwischen dem Mann und der Frau eine ganz besondere Beziehung bestand. Der alte Mann in Weiß, der offenbar der Papst war, wusste davon, denn die beiden jüngeren Menschen standen ihm sehr nah.
    David verstand
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