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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Autoren: Andrea Gunschera
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daran.“
    Gabriels Knie brachen unter ihm weg, bis die Handfesseln ihn auffingen. Mit den Schmerzen sammelte sich Hass auf den Mann. Darunter, wie ein leises Fieber, kroch etwas Schlimmeres seine Glieder herauf.
    Eine weitere Transformation.
    Gabriel hatte nie verstanden, warum ihre Art zuerst durch die Hölle musste, um Heilung zu erfahren. Seine Wahrnehmung verschwamm, sein Puls schoss hoch. Der Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren. Carl verblasste zu einem Schemen, ein weiterer Schatten im Dunkeln. Gabriels Kiefer schmerzten, als er die Zähne aufeinanderpresste, um der ersten Welle standzuhalten. Doch seine Beherrschung splitterte binnen weniger Herzschläge. Er wand sich in roten und schwarzen Schlieren, sein eigener Schrei hallte ihm in den Ohren. Er schrie, bis seine Kehle heiser war. Die zweite Welle riss ihn nach vorn. Schwer stürzte er in die Ketten. Der Schmerz war ein Feuerstrom, ein Netz aus tausend Klingen, der ihn in einen Abgrund riss und sein Bewusstsein auslöschen wollte. So spürte er kaum mehr die dritte Welle, und auch nicht die lange Erschöpfung danach, als sich die Wunden zu schließen begannen.
    Als er wieder zu sich kam, war Carl verschwunden. Gabriel wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Es gab kein Fenster in seinem Gefängnis. Seine Muskeln fühlten sich wund und zerschunden an, Durst brannte in seiner Kehle. Von den Messerwunden in der Seite und dem Unterleib war nur ein leises Ziehen geblieben. Sein Blick glitt zu den zwei Männern, die ein Stück entfernt auf Holzkisten saßen und sichgedämpft unterhielten. Einer der beiden, ein bulliger Latino, hieß Joseph.
    Gabriel senkte die Lider und regte sich nicht. Carl würde früh genug zurückkehren, und dann begann alles von vorn. Carl faszinierte die Transformation. Er würde beginnen, die Grenzen auszuloten. Die pathologische Neugier seines Peinigers war viel bedrohlicher als purer Sadismus.
    Er leckte sich über die gesprungenen Lippen. Er musste hier raus. Wie ein Anfänger hatte er sich in die Falle locken lassen. Weil seine Instinkte eingerostet waren. Vielleicht hatte er zu viele Jahre draußen in der Einsamkeit verbracht, sich von Hitze und Wind einlullen lassen und der Gewissheit, dass sich nie eine Menschenseele in seine Ecke der Wüste verirrte. Aber nun hing er in Ketten in diesem Kellerloch, umringt von waffenstarrenden Verrückten. Diese Ketten waren keine gewöhnlichen Handschellen, wie sie die Cops benutzten. Carl hatte gewusst, dass sein Gefangener etwas Besonderes war, jemand, den normale Ketten nicht halten konnten. Diese Fesseln waren stark genug, um einen Elefanten zu bezwingen. Sie hatten sich vorbereitet. Doch Gabriel konnte nicht den Hauch einer Aura erspüren. Niemanden vom Blut. Carl war nur ein Mensch, so wie alle, die ihm folgten. Dennoch wusste er um das Geheimnis des Blutes. Katherina würde das nicht gefallen. Die Vorstellung erheiterte ihn für einen Moment und verblasste.
    Nun verstand er endlich, mit wem sie ihn verwechselten. Sein Vater war es, der sich mit den alten Legenden auskannte. Thomasz, der nie begreifen wollte, warum sein Sohn das Schwert den Büchern vorgezogen hatte. Anders als Gabriel schätzte Thomasz Geselligkeit und geistreiche Gespräche, umgab sich mit Künstlern und Literaten.
    Es lag Ironie in dieser Verwechslung. Thomasz lebte ein öffentliches Leben mitten in Los Angeles. Carl aber hatte ausgerechnet Gabriel aufgespürt, der sich in einem Wüstenloch verkroch, so viele Jahre schon, dass sich kaum noch jemand an ihn erinnerte.
    Nur für eines war seine Gefangenschaft gut. Solange Carl ihn für Thomasz hielt, schwebte sein Vater nicht in Gefahr. Mit einem Ruck zog Gabriel an den Ketten. Seine Handgelenke waren verheilt. Gut für einen neuen Versuch, die Leitung aus der Decke zu reißen. Staub rieselte herab, das Rohr ächzte.
    „Er ist wach“, sagte Joseph.
    Der Latino stand von seiner Kiste auf, zog die Pistole aus dem Hosenbund und schraubte den Schalldämpfer auf. Bosheit glitzerte in den dunklen Augen. Noch einmal zog Gabriel vergeblich an den Ketten. Joseph trat näher und lächelte. Hass erfüllte Gabriel. Verzweiflung und ohnmächtige Wut. Die Stahlschellen verletzten seine Handgelenke, die Leitung hielt stand und Joseph hob die Pistole. Er ließ sich Zeit beim Zielen. Mit einem trockenen Geräusch löste sich der Schuss. Gabriel hörte sich aufschreien, als der Schock ihn überwältigte und der plötzliche Schmerz, der von seinem zertrümmerten Ellbogen hochschoss in
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