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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht
Autoren: Sara Paretsky
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einfällt.«
    »Aye, aye, Captain.« Ken stemmte sich aus seinem Stuhl. »Müssen wir den Kaffee schwarz trinken, oder kann ich zwei Stück Zucker haben?«
    Darraugh starrte ihn düster an, besaß aber genug gesunden Menschenverstand, um ihm nicht zu antworten. »Die Leute von der Bewährungshilfe werden allmählich ungeduldig. Bis nächste Woche müssen wir was vorweisen.«
    Am liebsten hätte ich Kens militärisch-zackigen Gruß nachgemacht, aber schließlich war Darraugh nicht mein Vater - er war nicht verpflichtet, mich weiterhin zu bezahlen. Wir verließen das Sitzungszimmer schweigend zu dritt. Dann wandte sich Darraugh nach rechts und verschwand in Richtung seines Büros, während Ken und ich zum Aufzug gingen, wo wir wie Zombies auf den Lift zum Untergeschoß warteten. Dort hatte eine der neuen Cafeketten eine Filiale eingerichtet. Wenigstens bekam ich da als kleinen Lohn für meine künftigen Bemühungen einen Cappuccino. »Tja, dann sollten wir mal anfangen, uns kennenzulernen«, meinte Ken und lümmelte sich in eine Ecke. »Wie lange kennen Sie meinen Alten schon? Sie haben ja kaum den Mund aufgemacht, wenn er was gesagt hat.«
    »Wie versessen sind Sie darauf, wieder an die Uni zurückzugehen?« konterte ich. »Ich weiß, daß Sie keinen Abschluß brauchen, um sich Ihren Lebensunterhalt zu verdienen - Ihr Vater läßt Sie schon nicht verhungern.«
    »Beantworten Sie zuerst meine Frage, dann gebe ich Ihnen auch eine Antwort: So läuft das normalerweise.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. »Sie könnten Gruppen helfen, die Frauen und Kinder unterstützen, das ist das einzige, was mir einfällt. Da geht's um Gewalt in der Familie, Abtreibungssachen, Frauenhäuser. Aber ich werde Sie nicht empfehlen, wenn Sie von einer berufstätigen Frau sofort denken, daß sie mit Ihrem Vater schläft. Mit solch altmodischem Gedankengut wären Sie da einfach fehl am Platz.«
    Bis etwa zur Hälfte dessen, was ich sagte, lächelte er süffisant, aber bei der Andeutung, daß er altmodisch sein könnte, riß er den Kopf erstaunt und auch ein bißchen verletzt zurück. Das konnte nicht wahr sein - er war nur halb so alt wie ich. »Ich möchte nicht wie eine angeschlagene Tomate herumgereicht werden, die mein Alter unbedingt an die Hausfrau bringen möchte.«
    »Das verstehe ich. Aber Sie haben sich strafbar gemacht. Machen wir uns doch nichts vor: Es ist nun mal passiert. Und wahrscheinlich wissen Sie genau, daß Sie längst im Knast säßen, wenn Sie arm oder schwarz wären. Ihre Strafe ist es nun mal, eine Tomate zu sein. Wenn Sie sich gut führen, versuche ich, Sie zu befördern - zur Avocado, vielleicht auch zur Aubergine.«
    Plötzlich mußte er lächeln, und das ließ ihn jünger, verletzlicher wirken. Doch schon nach ein paar Sekunden runzelte er wieder die Stirn und starrte seine Hände an. »Ich weiß nicht, ob ich wieder zurück nach Harvard will. Da wissen alle Bescheid. Außerdem kann ich den Abschluß nicht zusammen mit meinem Jahrgang machen.« »Dann gehen Sie eben nicht zurück. Schließlich gibt's noch tausend andere Colleges im Land.«
    »Aber bloß eins davon hat eine Bibliothek, wo ein ganzer Flügel nach den Grahams benannt ist. Für Darraugh wär's weniger peinlich, mich im Knast zu besuchen, als zu erleben, daß ich meinen Abschluß an einer staatlichen Uni mache.«
    Tja, die Kümmernisse der Reichen und Berühmten unterscheiden sich halt doch von den Ihren und den meinen. »Machen wir einen Deal: Sie führen sich ordentlich auf, da, wo ich Sie hinvermittle, und ich überrede Ihren Dad, daß er Sie auf das College Ihrer Wahl läßt.«
    Ich hob die Hand, um seine Einwände im Keim zu ersticken. »Ich mache ihm klar, daß das eine gute Idee ist. Schließlich hätten viele Schulen nichts dagegen, wenn sie ihrer Bibliothek einen Graham-Flügel hinzufügen könnten, oder? Abgemacht?«
    »Tja, wenn Sie meinen.« Er trank seinen Kaffee aus. »Wir haben uns immer noch nicht kennengelernt. Aber wenigstens weiß ich, daß Sie keinen Zucker in den Kaffee tun. Gehören Sie vielleicht auch zu den Frauen, die ständig Diät machen?«
    »Nee. Ich mag bloß keinen süßen Kaffee.« Ich stand auf. »Am besten geben Sie mir Ihre Telefonnummer, damit ich nicht immer Ihren Vater anrufen muß, wenn ich Sie erreichen will.«
    »Eigentlich sollten Sie mich jetzt fragen, warum ich Zucker in den Kaffee nehme«, sagte er. »So lernen wir uns kennen. Ich wohne jetzt bei Darraugh.«
    Ich lächelte. »Aber ich habe seine Privatnummer
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