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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition)
Autoren: Ulrike Schweikert
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Stöhnen ließ sie sich in den zweiten Sessel fallen.
    »Was willst du hier?«
    Ein seltsamer Ausdruck trat in sein Gesicht. Er öffnete den Mund, und es schien ihm wirklich schwerzufallen, auf sein Anliegen zu sprechen zu kommen, dann überlegte er es sich anders und fragte stattdessen: »Was für ein Fall?«
    Sabine richtete sich auf und fixierte ihn mit halb geschlossenen Augen. »Wir haben den Zuhälter und Menschenhändler Tariq und zwei seiner Komplizen verhaftet, als sie über den Hafen Nachschub für sein Bordell und seinen Sklavenhandel einschmuggeln wollten. Lauter junge Mädchen aus Asien und der Türkei, die zwei Wochen in einem Container gesteckt haben!«
    Jens schluckte. »Ich habe es nicht gewusst«, sagte er leise.
    »Was?«, verlangte Sabine zu wissen.
    »Diese Frauen, Dorina und Yulia, ich habe es nicht gewusst.«
    »Was, dass sie hier illegal bei deinen feinen Mandanten arbeiten?«, fragte Sabine scharf.
    Er schüttelte den Kopf. »Das schon, aber es ist mir nicht im Traum eingefallen, dass sie etwas anderes sein könnten als, nun ja, illegale Hausmädchen eben. Ich habe sowohl den von Ilsenbricks als auch den Reißenbergers geraten, sie anzumelden. Mehr konnte ich nicht tun.«
    Sabine stemmte die Hände in die Hüften.
    »Nein? Weshalb bist du hier? Erwartest du so etwas wie Absolution?«
    »Nein«, widersprach er kleinlaut. »Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich keine Ahnung hatte. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass jemand hier in unserem Land einen anderen Menschen wie einen Sklaven hält.«
    Sabine ließ sich in den Sessel zurückfallen. »Ja, das hat mich auch erschreckt. Ich dachte, ich hätte schon alles gesehen. Trotzdem, du bist öfters dort zu Gast gewesen. Du hast die Frauen gesehen. Ist dir denn gar nichts aufgefallen?«
    Jens hob die Schultern. »Sie waren Haushaltshilfen. So genau habe ich sie mir nicht angesehen. Einmal ist mir aufgefallen, dass Dorina verletzt war, doch Frau von Ilsenbrick behauptete, sie habe einen Freund, der sie geschlagen hat. Ich habe ihr geglaubt. Warum hätte ich meiner Mandantin nicht glauben sollen?«
    Sabine schloss müde die Augen. »Ja, so ist das. Diese Verbrechen sind nur möglich, weil keiner richtig hinsieht.«
    »Es tut mir leid«, sagte Jens leise. »Ich möchte, dass du weißt, dass ich entsetzt bin und so etwas keinesfalls billige!«
    »Und dennoch vertrittst du diese Leute«, wandte Sabine ein.
    Er holte tief Luft. »Ich habe mich entschlossen, das Mandat niederzulegen.«
    Sabine nickte. »Das ist gut. Dennoch werden sie einen anderen Anwalt finden, der sie für viel Geld da rauszuholen versucht.«
    »So wird es wohl sein. Das ist unser Rechtssystem.«
    Sabine stemmte sich aus dem Sessel hoch. »Ja, ich weiß, auch wenn ich das in diesem Fall zum Kotzen finde. Doch jetzt entschuldige mich. Ich hatte einen schweren Tag und brauche etwas Schlaf. Wir können morgen noch mal darüber reden, wenn du magst. Fahr nach Hause oder schlaf drüben im Arbeitszimmer. Dort liegt Julias Bettzeug.«
    Jens erhob sich und trat auf sie zu. Ein wenig unbeholfen tätschelte er ihren Arm. »Dann gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Jens«, sagte Sabine unter einem Gähnen und wankte ins Bad.
    Duyen sah Sabine ein wenig furchtsam an.
    »Ja, kommen Sie! Haben Sie keine Angst.«
    Sie konnte all die Fragen, die sie nicht zu stellen wagte, in ihrem Blick sehen.
    Sabine hatte ihr nicht gesagt, wohin sie fuhren, und nun blickte Duyen auf die unscheinbare Fassade des Hauses, das ihr Ziel sein sollte.
    Sabine schob ihre Hand unter Duyens Ellbogen und dirigierte sie auf die Haustür zu, die sich öffnete, ehe sie sie erreichten.
    »Ah, da sind Sie ja«, begrüßte sie eine freundliche Stimme. Die beiden Frauen lächelten einander an.
    »Kommen Sie!«, forderte Dr. Lohenberg sie auf und trat einen Schritt zurück. Kinderlachen schallte ihnen entgegen, und Sabine spürte, wie sich Duyen ein wenig entspannte. Nun war ihr Blick bei aller Zurückhaltung doch erwartungsvoll. Auch wenn die Angst vor der Enttäuschung deutlich darin abzulesen war. Sabine drückte ihr aufmunternd den Arm.
    Die Kinderpsychologin führte sie wieder zu dem Raum, in dem Sabine sie auch das letzte Mal getroffen hatte. Sie hielt ihnen auffordernd die Tür auf. Sabine schob Duyen in das Zimmer.
    Sie trat ein und blieb wie erstarrt stehen, den Blick auf die kleine Gestalt gerichtet, die in einer Ecke auf einer Matratze mit bunten Kissen saß und eine Puppe fest umklammerte.
    Das kleine Mädchen sah auf.
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