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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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vergessen,
dass dich dein Abt bis zu unserer Hochzeit an Ostern von sämtlichen Pflichten entbunden
hat? Aus Dankbarkeit, dass wir unseren vierten Fall gelöst haben? Nein? Dann frage
ich mich, was so schlimm daran ist, wenn wir noch ein paar Tage am Hof des Kurfürsten
verbringen und du uns anschließend begleitest.«
    »Gar nichts, geschätzter
Freund, gar nichts. Zumal sich auch mir die Gelegenheit zu einem Wiedersehen mit
einem alten Freund bieten würde.«
    »Tatsächlich?«
    Bruder Hilpert nickte, schlug seine Kapuze zurück
und öffnete die Tür der Schenke, aus der ihm der Geruch von Wildbret, gefüllten
Pasteten und frisch gebackenem Fladenbrot entgegenschlug. »Bruder Alban vom Orden
der Minderen Brüder zu Rothenburg«, entgegnete er, ließ seinen Freunden den Vortritt
und fügte erklärend hinzu: »Weggefährte während meiner Pilgerfahrt nach Rom. Kaum
zu glauben, wie lange das schon wieder her ist.«
    »Na also!«, rief Berengar freudestrahlend aus,
half seiner eineinhalb Köpfe kleineren Verlobten aus dem blauen Umhang und überreichte
ihn dem Wirt, welcher eilfertig seine Dienste anbot. »Warum nicht gleich so.«
    »Was tut man nicht alles für einen guten …«,
begann Bruder Hilpert, im Begriff, sich seinen Begleitern anzuschließen. Dabei fiel
sein Blick eher zufällig auf zwei Streithähne, welche unweit der Heiliggeistkirche
aufeinander einredeten und so sehr in ihr Gezänk vertieft waren, dass sie den Bibliothekarius
nicht bemerkten. Einer der beiden, allem Anschein nach Devotionalienhändler, war
ihm völlig unbekannt, der andere, eine Gestalt mit dunklem Umhang, hingegen schon.
    »Was ist denn los?«, fragte Berengar, nachdem
Hilpert neben ihm Platz genommen hatte.
    »Nicht der Rede wert!«, wiegelte Bruder Hilpert
ab, roch an seinem Glühwein und nahm einen kräftigen Schluck. »Nur ein Bekannter,
von dem ich hoffe, dass sich unsere Pfade nie mehr kreuzen werden!«

Erstes Kapitel
     
    Rothenburg ob der Tauber, Tag der heiligen Gertrudis [17]
     
    (Donnerstag, 17. März 1418)

Cupidatas [18]
2
     
    Rothenburger Richtstätte, knapp eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang │ [04.00 h]
     
    »Wenn das rauskommt, wird es uns den Kopf kosten!«
    Friedhelm, Henker zu Rothenburg ob der Tauber,
stieß seine Schaufel in den Erdhaufen neben der etwa fünf auf neun Fuß [19] großen Grube und
hielt schwer atmend inne. Im Verlauf der letzten halben Stunde hatte er sich mächtig
ins Zeug gelegt, ohne Rücksicht auf die Böen, welche von Osten über den Schindanger [20] der Gehenkten fegten,
Myriaden von Schneeflocken vor sich her peitschten und voller Ungestüm am Geäst
der Ulme rüttelten, unter der er gerade eine Verschnaufpause einlegte. Der Scharfrichter
spie verächtlich aus. Die Leute behaupteten, dies sei ein verwunschener Ort, freiwillig
traute sich kein Mensch hierher. Vor allem nachts, hieß es, stiegen die Geister
der Geräderten, Gehenkten und Gevierteilten aus ihren Gräbern und wanderten in stummer
Prozession zum nahen Galgen, an dem sie geheime Zwiesprache hielten und den Ort
ihrer Marter mit Flüchen belegten.
    Über Altweibergeschichten wie diese konnte der
meistgefürchtete Bewohner der Stadt, vor deren Toren die Richtstätte lag, freilich
nur lachen. Friedhelm gab nichts darauf, noch weniger als auf das Geschwätz, das
über ihn und sein unehrliches Gewerbe die Runde machte. Dennoch war da diese Anspannung
in ihm, dieses ungute Gefühl, welches ihn seit geraumer Zeit plagte, und so stieß
er einen gequälten Seufzer aus, wischte den Schnee von seinem Bart und ging erneut
ans Werk.
    »Den Kopf kosten? Das wird es uns nicht, keine
Sorge!«, munterte ihn die Stimme hinter seinem Rücken auf, »alles wird glattgehen
– wie immer.«
    »So, meint Ihr«, entfuhr es dem Scharfrichter,
der eigentlich lieber Badstuber und noch viel lieber Medicus geworden wäre. Da das
Gesetz ihm jedoch vorschrieb, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und das
als unehrlich geltende Gewerbe des Scharfrichters auszuüben, hatte er seine Hoffnungen
schon vor langer Zeit begraben müssen. An der Mauer, die ihn von seinen Mitmenschen
trennte, führte kein Weg vorbei, und es gab niemanden, der sich erdreistet hätte,
sie niederzureißen.
    Binnen Kurzem schweißgebadet, machte Friedhelm
seinem Groll durch eine Serie halblaut gemurmelter Flüche Luft. Es hatte Zeiten
gegeben, in denen es ihn verdross, wenn sich ehrbare Bürger bei seinem Herannahen
bekreuzigten, rasch die Straßenseite wechselten und Reißaus
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