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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit
Autoren: Skyla Hegelund
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dem Nachbarhaus die tiefe, laut polternde Stimme von Nils Vater. Erschrocken und verängstigt zuckte Lena zusammen. In ihrem kleinen Gesicht spiegelten sich die Gefühle wieder, die sie dabei empfand, als sie zuhören musste, wie ihr Freund misshandelt wurde. Jedes Wort hörte die Familie, das Gustav Keller seinem Jungen zwischen den Schlägen an den Kopf warf.
    Entsetzt sah Sonja ihren Mann an. Wegen ihnen bekam Nils diese Schläge! Nur weil sie das Jugendamt verständigt hatten! Wie konnten sie nur helfen? Fassungslos starrte Georg in die vorwurfsvollen Augen seiner Frau. Der Appetit war ihm vergangen. Nach kurzem Überlegen erhob er sich und schritt über den frischgemähten Rasen auf das baufällige Tor zu, das die beiden Grundstücke trennte.
    In diesem Moment sah er, wie Nils zu dem Schuppen rannte und sich in Sicherheit brachte.
    „Georg! Bleib hier! Du wirst nicht zu den Kellers gehen! Lass es bitte bleiben! Wir verständigen die Polizei!“
    Doch Georg Johle reagierte auf das Rufen seiner Frau nicht. Mit selbstsicheren Schritten ging er zum Hintereingang des Hauses, der, wie er wusste, in die Küche führte.
    „Herr Keller!“ Laut rufend machte Georg sich bemerkbar, als er vor der geschlossenen Türe stand.
    „Herr Keller! Darf ich reinkommen?“ Ohne Zögern klopfte Georg gegen die morsche Holztür.
    Mit einem Ruck wurde die Türe aufgerissen. Breitbeinig, in drohender Haltung, stand Gustav Keller vor ihm, die Hände in die Hüfte gestemmt, er roch nach vergorenem, billigem Alkohol, übelriechendem Schweiß und Dreck.
    „Verschwinden Sie hier! Runter von meinem Grund und Boden, Sie... Sie...! Machen Sie, dass Sie auf ihr Grundstück kommen! Sofort, bevor ich mich vergesse!“ Beängstigend, leicht wankend, schritt Gustav Keller massig auf ihn zu. Selbstsicher bewegte Georg sich nicht, wartete, bis der dicke Bauch von Gustav Keller ihn berührte, nicht bereit, sich in die Flucht schlagen zu lassen.
    „Ich werde gehen, aber zuerst werde ich Ihnen sagen, dass ich das Jugendamt verständigt habe, und dass es nicht alleine Ihre Angelegenheit ist, wenn Sie Nils verprügeln. Er hat Menschenrechte, die Sie missachten! Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie Sie Ihren Sohn zerstören! Seien Sie gewarnt! Das nächste Mal rufe ich die Polizei!“
    „Das werden Sie nicht!“ Mit der geballten Faust schlug Gustav Keller ohne Vorwarnung auf Georgs Unterkiefer, wartete nicht einmal seine Reaktion ab, bevor er ihm einen gezielten Fausthieb in den Magen versetzte.
    Benommen brach Georg zusammen. Soweit beherrschte sich Gustav Keller, dass er nicht weiter auf sein Opfer einprügelte. Verächtlich kickte er den störenden Arm zur Seite, wegen dem er die Türe nicht verschließen konnte. Als das Hindernis aus dem Weg geräumt war, schloss er krachend die Türe und wendete sich seiner Frau zu, die zitternd an dem breiten Küchentisch stand, die Hand angstvoll vor den Mund gehalten, als sie gesehen hatte, wie ihr Mann auf Doktor Johle eingeschlagen hatte.
    Unbeherrscht schritt ihr Mann auf sie zu, mit aller Kraft schlug er ihr mitten in das weinende Gesicht. Wieder und wieder schlug er zu, nicht mehr fähig seine Wut in Zaun zu halten. Alle hatten ihn gereizt, mit Absicht hatten sie ihn provoziert! Das mussten sie ihm büßen! Dieser Doktor, was bildete der sich eigentlich ein! Dem hatte er es gezeigt! Nun würde er seiner Frau noch beweisen, wer der Herr im Haus war.
    Besorgt rannte Sonja über das hohe Gras zu ihrem Mann.
    „Georg! Georg, komm zu dir!“ Leicht tätschelte sie seine Wange, bis er endlich benommen die Augen aufschlug. Jammernd fasste seine Hand nach seinem schmerzenden Unterkiefer. „Autsch, die hat gesessen! Verdammt! Ich hatte nicht den Bruchteil einer Chance! Der arme Junge! Wenn er diese Wucht von Schlägen zu spüren bekommt! Lass uns gehen!“ Unsicher nahm Georg die hilfeanbietende Hand seiner Frau und zog sich zum Stehen. Brennend schmerzte sein Magen, vornüber gebeugt ließ er sich auf die Terrasse führen. Widerspruchslos nahm er den Platz auf dem hohen Gartenstuhl ein, an den seine Frau ihn führte.
    „Ich hole etwas zum Kühlen, bleib sitzen!“
    Ausgelaugt sah er hinter ihr her, wie sie in das Haus rannte, um kurze Zeit später mit einem Kühlkissen wiederzukommen, das sie ihm auf den Unterkiefer legte, der sich bereits rotblau verfärbte.
    „Mein Armer! Ich habe Todesängste ausgestanden! Wie soll das nur weitergehen? Je mehr wir unternehmen, desto schlimmer wird es werden!“
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