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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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Tutu und mit einem Feen-Zauberstab in der Hand aus Helens Vagina gepresst worden, wenn er etwas zu sagen gehabt hätte.
    »Er ist mein Augenstern«, seufzt sie. »Aber er trägt immer noch Kleider.« Sie stützt sich auf einen Ellbogen und nippt an ihrem Champagner.
    Seit Levis Persönlichkeit hinter der undifferenzierten Niedlichkeit aller Kleinkinder zum Vorschein kam und er begann, seine Vorlieben auszuleben – nicht nur Kleidchen, sondern auch Puppen und Puppenwagen statt Feuerwehrautos und Dinosauriern –, ergreift eine Erschöpfung von Helen Besitz, die ich vorher nie bei ihr bemerkt habe. Die leichte, unkomplizierte Fröhlichkeit, die ihre wilden Teenagerjahre durchscheinen ließ, und ihre Neigung, die Erste zu sein, die auf dem Tisch tanzt oder die Tequila-Flasche herumreicht, haben sich verändert. Ich muss beinahe sagen, dass Helen gealtert ist. Nicht unbedingt körperlich, aber in der Art, wie sie spricht. Sie hat mich immer damit aufgezogen, dass ich mir so viele Sorgen um meine Kinder gemacht habe. Jetzt kann ich es deutlich in ihren Augen sehen – sie sorgt sich um Levi.
    Nicht, dass auch nur eine von uns schwulenfeindlich wäre. Wir haben alle homosexuelle Freundinnen und Freunde. Einen Onkel, der Seidentücher trägt. Eine Cousine, die »nie geheiratet hat«. Aber ganz gleich, woran wir glauben oder was wir behaupten, in Wahrheit wollen wir alle nur, dass unsere Kinder »normal« sind und sich möglichst nicht von der Masse abheben. Uns allen wäre es lieber, wenn unsere Kinder zu Heterosexuellen heranwachsen würden (so die Überzeugung meines Freundes Jerome, der seit fünfzehn Jahren mit demselben Mann zusammen ist), weil es »ein homosexueller Mensch in einer heterosexuellen Welt eindeutig schwerer hat«. Doch unsere Kinder konfrontieren uns mit all unseren versteckten Vorurteilen und reiben uns unsere Scheinheiligkeiten unter die Nase.
    Helen und David haben die Regel aufgestellt, dass Levi zu Hause tragen darf, was immer er will – sobald er jedoch rausgeht, muss er sich wie ein Junge anziehen. Ich habe schon erlebt, wie er nach einem Ausflug in einer blauen Shorts und T-Shirt ins Haus gerannt ist, um sich noch am Fuß der Treppe auszuziehen und auf seinen Vorrat an Mädchenkleidern zu stürzen. Das Beste ist, dass er am liebsten Kleider mag, die mitschwingen, wenn man sich dreht. Da schmilzt und bricht einem das Herz zugleich. Bei einem Sechsjährigen ist das immer noch niedlich, aber mit acht? Oder gar vierzehn?
    Helen musste sich deswegen einen Haufen wohlmeinenden Blödsinn von Leuten anhören, die anscheinend zu allem guten Rat wissen.
    »Vielleicht ist das nur eine Phase.«
    »Wenn er lieber Mädchenkleider anzieht, ist er nicht unbedingt schwul, sondern nur ein Transvestit.«
    »Vielleicht wird er mal Modedesigner und Frauenliebling.«
    Diese ungebetenen Ratschläge haben Helen natürlich überhaupt nicht geholfen. Man tut sich leicht mit solchen Dingen, wenn es nicht das eigene Kind betrifft. Ich versuche daher meistens den Mund zu halten.
    Ich kann mir kaum vorstellen, wie es wäre, wenn Aaron lieber in rosa Rüschenkleidchen herumlaufen würde als in Rugby-Shorts. Ich weiß, was Frank dazu zu sagen hätte, nämlich: »Mein Sohn würde niemals …« Allmählich glaube ich aber, dass eine solche Gewissheit ein Privileg von Menschen ist, die nicht betroffen sind. Wir können nicht wissen, wie wir auf etwas reagieren werden, bis wir selbst in der Situation stecken. Aaron und ich führen zum Beispiel gerade den Call-of-Duty -Krieg. Anscheinend bin ich die einzige Mutter auf der Welt, die sich weigert, ein Spiel zu kaufen, in dem mein Sohn virtuell Leute abballern kann, dass Blut und Eingeweide nur so spritzen. Also bin ich entweder die einzig vernünftige Mutter auf diesem Planeten, oder ich spinne tatsächlich, wie Aaron behauptet.
    Bei unserem Weiberabend vor ein paar Jahren haben meine Freundinnen mich ins Kreuzverhör genommen. Sie wollten wissen, was ich denn zu tun gedächte, wenn der damals vierjährige Aaron, den seine Kindergärtnerin als »kleinen Tyrann« bezeichnet hatte, zu einem fiesen Schläger heranwachsen würde. Ich weigerte mich nicht aus reiner Sturheit, darüber nachzudenken, dass er zu einem solchen Menschen werden könnte – so entfremdet von der Liebe und den Werten, mit denen ich ihn erzogen hatte, dass ich ihn nicht mehr erkennen würde. Ich glaubte wirklich daran, dass er sich später keine Spielzeugwaffen wünschen würde, wenn er ohne so etwas
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