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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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sie geworfen hatte, fanden viele es anmaßend und unpassend. Eine Frau in der Rüstung eines Kriegers, die mit Männern trank und Messer warf! Nun, sie hatte gelacht und getrunken und Späße gemacht die halbe Nacht, und hatte sogar einiges Glück gehabt, doch jetzt würde sie endlich auf ihren Platz verwiesen, wenn Sendes das Wettspiel gewonnen hatte …
    Sie bewegte sich mit solcher Leichtigkeit und Geschmeidigkeit, dass ihre kleine Zuschauerschar völlig überrascht wurde. Sie schien nicht zu überlegen und stellte sich nicht in Pose. Grazil beugte sie sich vor, zog ihr Messer aus der Scheide an ihrem Gürtel, trat ganz an den Strich und wirbelte herum. Die Waffe sauste blitzend durch die Luft. Holz zersplitterte und Metall klang, ehe auch nur ein einziger mit dem Aufschlag gerechnet hatte.
    Sonja lächelte und schaute sich um. Verblüfft setzte Sendes seinen Becher ab.
    »Ich will verdammt sein!« rief einer seiner Freunde.
    Sonjas Klinge hatte ebenfalls mitten ins Schwarze getroffen, durch Sendes Messer hindurch. Der Holzgriff des Corinthiers Waffe war entzwei gespalten, und das war keine schlechte Leistung, denn er bestand aus von Kush eingeführtem Hartholz. Und die metallene Klinge wies einen tiefen Kratzer auf, wo die von Sonjas Messer an ihr entlanggeglitten war.
    Sendes rannte zur Wand, zog Sonjas Messer heraus und starrte auf sein eigenes beschädigtes. »Unmöglich!« hauchte er.
    Sonja ging lächelnd auf ihn zu. »Darf ich es zurückhaben?«
    Benommen überließ er ihr ihr Messer, und sie steckte es ein. Sendes schüttelte den Kopf. »Unmöglich«, schnaufte er erneut.
    »Ich bestehe nicht auf dem Bier.« Sonja grinste. »Du wirst dein Geld für ein neues Messer brauchen.«
    Schweigen – erstauntes Schweigen herrschte eine kurze Weile, doch dann brach Begeisterung aus. Die Männer pfiffen, riefen durcheinander und rannten herbei, um Sonja kameradschaftlich auf die Schulter zu klopfen, und sie bestellten Bier und Wein für sie.
    Sonja entschuldigte sich bei Sendes. »Ich versuchte, es dir zu sagen«, schnurrte sie. »Ich dachte nicht, dass ich es genauso schaffen würde.«
    »Das sagst du jetzt«, brummte er.
    »Nimm’s nicht so tragisch«, ermunterte ihn einer seiner Freunde. »Einen solchen Wurf zu sehen, war dein Messer wahrhaftig wert!« Er wandte sich Sonja zu. »Wo hast du das bloß gelernt? Es ist erstaunlich!«
    Sonja zuckte die Schulter. »Ich trage meine Rüstung aus gutem Grund«, erklärte sie. »Ich bin Söldnerin, eine Schwertkämpferin. Glaubt ihr nicht, dass jemand, der Waffen trägt, auch damit umgehen können muss? Das Leben, das ich führe …« Sie hielt inne und führte ihren Satz auch nicht zu Ende – vielleicht, weil sie das Gefühl hatte, bereits zuviel gesagt zu haben.
    Sie wollte sich gerade an Sendes wenden, als sie bemerkte, dass er an ihr vorbeistarrte, zur Mitte der Gaststube. Als sie und die anderen am Tisch seinem Blick folgten, wurde Sonja sich einer merkwürdigen Stille in der Schenke bewusst.
    Die Aufmerksamkeit aller galt einer jungen Frau: hochgewachsen, dunkelhaarig, in vornehmer Kleidung und mit Geschmeide, wie keine einfache Bürgerin dieses Stadtviertels es sich hätte leisten können. Und doch gewann Sonja den Eindruck, dass viele hier in der Schenke sie kannten. Sendes jedenfalls war sie bestimmt keine Fremde. Er stand auf, streckte eine Hand aus und bedeutete so der jungen Frau, sich zu ihnen zu setzen. Sie kam heran.
    Während Sonja die Frau abschätzend musterte, lehnte ihr Tischnachbar - ein stämmiger Bursche mit beachtlichem Bauch, der über seinen Waffengürtel quoll – sich näher und flüsterte ihr ins Ohr: »Endithors Tochter!«
    Sonja hob die Brauen.
    »Areel«, begrüßte Sendes die Frau. Er schob seinen Stuhl zurück und griff nach einem am nächsten Tisch, um ihn für sie zurechtzurücken.
    Aber Areel hob eine Hand. »Ich möchte gern mit dir allein, sprechen, Sendes, wenn möglich.«
    Die Männer am Tisch verstanden den Wink. Sie leerten ihre Becher oder Krüge, standen auf, rückten ihre Gürtel zurecht und wünschten eine gute Nacht. Ein paar, die Areel offenbar besser kannten, drückten ihr Beileid zum Tod ihres Vaters aus. Sie dankte mit stolz vorgeschobenem Kinn.
    Sonja ging als letzte. Sie ließ sich Zeit und beobachtete Sendes, der Areel beobachtete. Areel – stolz, vornehm, mit schwarzen Augen voll Intelligenz und Entschlossenheit – bedachte Sonja mit einem langen Blick. Die Augen der beiden Frauen trafen sich, doch die zwei
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