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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Autoren: John le Carré
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Informationsquellen so legendär sind, dass man sie fast unheimlich nennen muss. Seine Kontaktpersonen weltweit sprechen zu ihm wie zu keinem Zweiten, denn alle wissen sie, dass ihr Material von ihm zur Förderung der demokratischen Prinzipien und der Freiheit verwendet wird. Die Operation Wildlife, deren Einzelheiten ich Ihnen jetzt enthüllen werde, ist von ihm persönlich aus der Taufe gehoben worden.«
    Eine stolze Feststellung, die Anlass zu der naheliegenden, wenn auch kriecherischen Frage gibt:
    »Und den Namen dieses großen Mannes, Elliot, darf man den erfahren?«
    »Paul, Sie gehören ab sofort zur Familie. Ich kann Ihnen darum strikt im Vertrauen verraten, dass der Gentleman, welcher der Gründer von Ethical Outcomes und die treibende Kraft hinter dem Unternehmen ist, Mr. Jay Crispin heißt.«
    ***
    Rückfahrt nach Harrow in einem schwarzen Taxi.
    Ab jetzt alle Quittungen aufbewahren , hat Elliot ihm eingeschärft. Also Taxifahrer bezahlen, Quittung aufheben.
    Als Nächstes Jay Crispin googeln.
    Heyloo! Ich bin Jay, 19 Jahre alt und aus Paignton, Devon. Ich jobbe als Kellnerin …
    J. Crispin, Lacke und Furniere, wurde 1900 in Shoreditch gegründet …
    Jay Crispin, Casting für Models, SchauspielerInnen, MusikerInnen und TänzerInnen …
    Aber nicht ein Hinweis auf Jay Crispin, treibende Kraft hinter Ethical Outcomes und Vater der Operation Wildlife.
    ***
    Schon wieder ausgebremst durch das übergroße Fenster seines Hotel-Gefängnisses, stieß der Mann, der sich gezwungenermaßen Paul nannte, einen müden Schwall stumpfsinniger Obszönitäten aus, mehr im neumodischen Stil als in seinem eigenen. Fuck! – dann ein Doppel- Fuck! Dann noch mehr Fuck! s, ein lustloses Trommelfeuer in Richtung des Mobiltelefons auf dem Bett, das mit einem Appell endete – Läute, du Miststück, willst du wohl läuten  –, ehe ihm zu dämmern begann, dass irgendwo innerhalb oder außerhalb seinen Kopfes besagtes Mobiltelefon, nun nicht mehr stumm, ihn mit seiner blödsinnigen Melodie andudelte.
    Ungläubig blieb er am Fenster stehen. Es ist der fette bärtige Grieche nebenan, der unter der Dusche singt. Es ist dieses sexbesessene Pärchen von oben drüber, er grunzend, sie winselnd. Ich leide an Halluzinationen.
    Im nächsten Moment wollte er als Einziges schlafen und erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei war. Doch da war er schon zum Bett gestürzt und presste sich das verschlüsselte Handy ans Ohr, wobei ihn jedoch ein verqueres Sicherheitsdenken vom Sprechen abhielt.
    »Paul? Sind Sie dran, Paul? Ich bin’s, Kirsty, erinnern Sie sich?«
    Kirsty, seine Übergangsaufpasserin, von der er bisher nur die Stimme kannte – schnippisch, fordernd; alles Weitere blieb seiner Phantasie überlassen. Manchmal meinte er einen unterdrückten australischen Akzent herauszuhören, quasi das Pendant zu Elliots Südafrikanisch. Und manchmal überlegte er, was für ein Körper zu der Stimme gehören mochte, und dann wieder, ob es überhaupt einen Körper dazu gab.
    Ihr Ton jedenfalls enthielt eine leichte Schärfe und jede Menge Bedeutungsschwere dazu.
    »Noch alles gut bei Ihnen oben, Paul?«
    »Bestens, Kirsty, bestens. Bei Ihnen auch, hoffe ich doch?«
    »Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug? Nachtvögel beobachten? Wo Sie doch so ein Eulenfreak sind?«
    Denn Paul Anderson, so wollte seine groteske Tarnung es, war Hobbyornithologe.
    »Dann kommt jetzt das Update. Alles so weit startklar. Heute Abend. Die Rosemaria nimmt seit fünf Stunden Kurs auf Gibraltar. Aladin lässt für seine Passagiere beim Chinesen in der Queensway-Marina eine Riesenparty steigen. Er wird warten, bis seine Gäste ordentlich am Feiern sind, und sich dann davonstehlen. Sein Date mit Punter ist für 23 . 30 Uhr angesetzt. Ich hole Sie um 21 Uhr im Hotel ab, in Ordnung? Punkt neun. Gebongt?«
    »Wann treffe ich mich dann mit Jeb?«
    »Sobald es geht, Paul«, gab sie zurück, mit einer Extraportion Strenge in der Stimme, wie jedes Mal, wenn Jeb zwischen ihnen erwähnt wurde. »Alle Maßnahmen sind getroffen. Ihr Freund Jeb erwartet Sie. Sie ziehen sich fürs Vögelbeobachten an. Sie checken nicht aus. Abgemacht?«
    Das war es bereits seit zwei Tagen.
    »Sie nehmen Ihren Pass und die Brieftasche mit. Sie packen Ihre Sachen, lassen sie aber im Zimmer. Sie geben Ihren Schlüssel an der Rezeption ab, als ob Sie spät zurückkommen würden. Und warten Sie am besten draußen auf der Treppe, dann müssen Sie nicht in der Lobby rumstehen und sich von den
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