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Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Titel: Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Autoren: Susanne Konrad
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haben ( nacheß) . Dafür gibt es im Deutschen kein Wort, man kann es nur beschreiben. Ähnlich steht es mit dem Stolz auf die eigene Leistung, den man empfindet, wenn man etwas vollbracht hat – ganz unabhängig vom Lob und der Anerkennung durch andere. Hierfür kennt das Italienische einen Begriff ( fiero) . An solchen Unterschieden in der Begrifflichkeit verschiedener Sprachen wird deutlich, dass für Gefühle ganz unterschiedliche »Raster« zur Verfügung stehen, in denen wir sie wahrnehmen und erkennen. Dies bezeichnen Soziologen, Psychologen und Sprachwissenschaftler als »Codierung« der Gefühle. Den Wandel dieser Raster zeigt besonders die Literatur.

Wandel der Emotionen
in der Literatur
    Ein Beispiel dafür, wie sich der Ausdruck von Gefühlen im Laufe der Geschichte verändert hat, ist der Eros . Heute verstehen wir unter Eros eine sexuell-faszinierende Anziehungskraft. Der »Eros« der Griechen vor Platon und Demokrit war ein »unspezifischer, dunkler Zuwendungsdrang«, demgegenüber »Phobos« als »panischer Abwehrdrang« fühlbar war. Aphrodite personifizierte als »goldener schimmernder Glanz« die Faszination des erotischen Begehrens. Für die Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau stand Philia . Sie zeichnete sich durch starken Zusammenhalt, aber nur einen geringen verführerischen Reiz aus. Die Griechen vor Platon hatten somit unterschiedliche emotionale Aspekte von Beziehung in verschiedene Kategorien gefasst: Eros, Aphrodite, Philia. Die Literatur des 19. Jahrhunderts unterschied zwischen platonischer Freundschaft, leidenschaftlichem Begehren und ehelicher Ordnung – und ließ diese Prinzipien gern in dramatischer Weise miteinander kollidieren. Heute trifft man in der Literatur die langjährige Beziehung, die sich innerlich ausgehöhlt hat, die einseitige Liebe, die erste Liebe und die späte Liebe, und die Reduktion auf die sexuelle Beziehung (zum Beispiel »One-Night-Stand«) an.
    Im europäischen Mittelalter fanden Gefühle und ihre Versinnbildlichung Gestalt in den Figuren des christlichen Glaubens. Gefühle wie Angst, Verzweiflung, Bedrohung und Reue wurden durch die Hölle verkörpert, Liebe, Sehnsucht und Zufriedenheit wurden in den Himmel projiziert. Dadurch wurde auch stark polarisiert. Auf Bildern findet sich immer wieder die Vertikale von oben und unten, Himmel und Hölle, gut und schlecht.
    Als Zeitalter, in dem vorgespielte Gefühle zur Konversation gehörten, gilt die Barockzeit. Gefühle waren da, aber man pflegte einen kalkulierenden, berechnenden, strategischen Umgang mit ihnen. Es gehörte zur Politik, sich gegenseitig zu taxieren und hinter den zur Schau gestellten Gefühlen die wahren Motive zu erraten. Eine große Bedeutung hatten theatralische Inszenierung und Körpersprache.
    Mit zunehmender Aufklärung wurde eine hohe Rationalität gefordert. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die bürgerliche Gefühlskultur, wie wir sie heute kennen, weit entwickelt. 1806 hat Johann Wolfgang Goethe seinen Roman Die Wahlverwandtschaften veröffentlicht, der ein sehr modern anmutendes Beispiel bürgerlicher Gefühlskultur liefert: Ein Paar, Ende dreißig, findet nach langer Freundschaft und wechselnden Lebensgeschichten zusammen. Aber das erhoffte Liebesgefühl verwirklicht sich nicht wie gewünscht. Er verliebt sich in seine jüngere Nichte; sie sucht Anschluss bei seinem besten Freund.
    Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden Gefühle immer weiter zurückgedrängt. Disziplin und Moral waren vorherrschende Werte der bürgerlichen Gesellschaft. Demgegenüber standen die Gedanken und auch die Leiden des vereinzelten, als Individuum wahrgenommenen Menschen. Der Konflikt wurde als Widerstreit von »Vernunft« und »Gemüt« erlebt. Anschaulich beschreibt zum Beispiel Theodor Fontane in seinen Gesellschaftsromanen wie Selbstkontrolle, Triebkontrolle und Affektkontrolle zur inneren Verhärmung und Vereinsamung des Menschen führen können. Das literarische Motiv des Konfliktes zwischen den Anforderungen der Gesellschaftsordnung und den persönlichen Neigungen, die zurückstehen müssen, ist im 19. Jahrhundert verbreitet. Themen wie Verzicht und Entsagung, aber auch Erhabenheit und Würde sind häufig.
    Immer wieder gab es Phasen des propagandistischen Missbrauchs von Gefühlen. Menschenmassen wurden manipuliert, Minderheiten auszustoßen, zu verfolgen bis hin zum organisierten Massenmord. Es wurde an Gefühle appelliert, die bei vielen unverarbeitet waren, wie zum Beispiel der Umgang
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