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Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Titel: Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Autoren: Susanne Konrad
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auflegt, um ihn zu verstehen. Dasselbe gilt auch für das Schreiben: »Autoren und zumindest zeitgenössische Leser teilen ein Wissen darüber, wie Emotionen verlaufen, in welchen Situationen sie entstehen und wie sie angemessen auszudrücken sind, und über dieses gemeinsame Wissen funktioniert das Kodieren wie das Dekodieren«, schreibt Simone Winko in ihrer Studie »Kodierte Gefühle«. Sie beschäftigt sich mit den emotionalen Schemata, die im Text selbst enthalten sind. Danach gibt es grundlegende emotionale Handlungen oder Situationen, die erzählerisch gestaltet werden. Die Handlung wird mit bestimmten Gefühlen assoziiert und weckt das Gefühl, ohne dass es direkt beschrieben werden müsste. Schreibt man über einen Vogel, der aus der Hand Körner pickt, löst das bei uns ein Gefühl der Rührung aus. Wird eine Kirche als Schauplatz gewählt, entsteht ein Gefühl der Nachdenklichkeit und inneren Einkehr. Simone Winko beschreibt die Vielfalt emotionsbesetzter Stoffe so: »Solche typisierten Handlungen umfassen ein weites Spektrum, das von der Selbst-Opferung, dem Kampf und verschiedenen Arten der Suche über die Heimkehr, das Verlassen von Personen oder Orten bis zum tröstenden Nehmen einer Hand und dem Kuss reicht. Auch der Situationsbegriff ist weit zu fassen: Es können Ereignisse, Beziehungen und Räume, manchmal sogar Gegenstände sein, die kulturell und als Bestandteile der fiktiven Welt emotional kodiert sind und die auf eine prototypische Situation verweisen. Zu den Ereignissen gehören existentielle wie Geburt und Tod, oft das Finden oder Verlieren eines Partners, aber auch Naturereignisse wie der Einbruch des Frühlings, ein Gewitter oder ein Sonnenuntergang; zu den Beziehungen zählen zwischenmenschliche Konstellationen wie Freundschaft oder Feindschaft, Relationen zwischen Menschen und anderen Lebewesen sowie zwischen Menschen und Gegenständen, etwa emotional bestimmte Besitzverhältnisse. Die Räume, die mit Emotionen verbunden sind, können Kulturräume sein, etwa die graue, trostlose Stadt, die lebendige Stadt, das Grab, das Zuhause, oder auch Naturräume darstellen wie der Wald, in dem der Mensch einsam ist, das fröhliche Bächlein, die unheimliche Heide, der erhabene Strom, die schwarze Flut des Meeres. Zu den Gegenständen im weiten Sinne, die auf prototypisch emotionale Situationen verweisen, zählen symbolische Objekte wie der Ring, der auf die Verbindung zweier Liebender hinweist, sowie Objekte oder Kulturprodukte, die zu den Requisiten emotional markanter Situationen gehören, etwa der Sarg, der Wanderstab oder das Reiselied.«
Anregung
Symbolik
    Überlegen Sie, welche Gegenstände und Schauplätze in Ihrem gegenwärtigen Schreibprojekt eine besondere Rolle spielen und welche Gefühle sich mit ihnen verbinden. Wählen Sie einen Gegenstand als Leitmotiv für einen Text. Dann einen Schauplatz.
    Die emotionale Struktur eines Textes kann sowohl bewusst als auch unbewusst entstehen. In der bewussten Gestaltung stellt sich der Autor Fragen wie:
    -Welche Emotionen möchte ich thematisieren?
    -Welchen emotionalen Gebilden möchte ich literarisch Gestalt geben?
    -Ist meine Geschichte nicht ein Vehikel für ein wichtiges emotionales Thema, dem ich Ausdruck verleihen möchte?
    -Und wie finde ich den passenden sprachlichen Ausdruck für diese Emotionen?

3. Die emotionale Dramaturgie
    An welche Personen darf sich erotische Liebe richten? Gibt es Standesgrenzen? Ist Homosexualität erlaubt? Ist Krieg als Mittel, um Machtziele zu verfolgen, akzeptabel? Ist es unmännlich, wenn Männer weinen? Je nach Epoche oder Kulturkreis würden diese Fragen verschieden beantwortet. Paul Ekman vermutet aber, dass die Grundgefühle der Menschen weltweit analog und konstant sind. Er stützt sich dabei auf ethnologische Studien, die er Ende der sechziger Jahre auf Papua-Neuguinea durchgeführt hat. Das Volk der Fore war damals noch nicht mit westlicher Kultur in Verbindung gekommen. Dennoch erkannte er bei den Fore dieselben mimischen Ausdrucksweisen für bestimmte Gefühle wie bei Menschen in anderen Teilen der Welt. Jedoch stellt er fest, dass es kultur- und zeitabhängig ist, wie Gefühle gezeigt werden, welche Bezeichnungen es für Gefühle gibt, wie sie bewertet und geordnet werden und welche Ausdrucksformen sie in Kunst und gesellschaftlichem Ritual erhalten.
    Nicht jede Sprache hat für alle Empfindungen die gleichen Wörter. Im Jiddischen kennt man einen Begriff für den Stolz, den Eltern auf ihre Kinder
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