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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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hatten mich verlassen. - Umsonst denk' ich nach, wie ich von ihm weg, und aus der Halle gekommen. Ich finde mich erst auf der Straße wieder; und höre ihn hinter mir herkommen; und höre ihn mit mir zugleich in das Haus treten, mit mir die Treppe hinauf steigen -
    CLAUDIA. Die Furcht hat ihren besondern
    Sinn, meine Tochter! - Ich werde es nie vergessen, mit welcher Gebärde du hereinstürztest. -
    Nein, so weit durfte er nicht wagen, dir zu folgen. - Gott! Gott! wenn dein Vater das wüßte! -
    Wie wild er schon war, als er nur hörte, daß der Prinz dich jüngst nicht ohne Mißfallen gesehen!
    - Indes, sei ruhig, meine Tochter! Nimm es für einen Traum, was dir begegnet ist. Auch wird es 47
    noch weniger Folgen haben, als ein Traum. Du entgehest heute mit eins allen Nachstellungen.
    EMILIA. Aber nicht, meine Mutter? Der Graf muß das wissen. Ihm muß ich es sagen.
    CLAUDIA. Um alle Welt nicht! - Wozu? wa-
    rum? Willst du für nichts, und wieder für nichts ihn unruhig machen? Und wann er es auch itzt nicht würde: wisse, mein Kind, daß ein Gift, welches nicht gleich wirket, darum kein minder gefährliches Gift ist. Was auf den Liebhaber keinen Eindruck macht, kann ihn auf den Gemahl machen. Den Liebhaber könnt' es sogar schmeicheln, einem so
    wichtigen Mitbewerber den Rang abzulaufen.
    Aber wenn er ihm den nun einmal abgelaufen hat: ah, mein Kind, - so wird aus dem Liebhaber oft ein ganz anderes Geschöpf. Dein gutes Ge-stirn behüte dich vor dieser Erfahrung.
    EMILIA. Sie wissen, meine Mutter, wie gern ich Ihren bessern Einsichten mich in allem unter-werfe. - Aber, wenn er es von einem andern er-führe, daß der Prinz mich heute gesprochen?
    Würde mein Verschweigen nicht, früh oder spät, seine Unruhe vermehren? - Ich dächte 48
    doch, ich behielte lieber vor ihm nichts auf dem Herzen.
    CLAUDIA. Schwachheit! verliebte Schwachheit!
    -Nein, durchaus nicht, meine Tochter! Sag' ihm nichts. Laß ihn nichts merken!
    EMILIA. Nun ja, meine Mutter! Ich habe keinen Willen gegen den Ihrigen. - Aha! (mit einem tiefen Atemzuge) Auch wird mir wieder ganz leicht. -Was für ein albernes, furchtsames Ding ich bin! -Nicht, meine Mutter? - Ich hätte mich noch wohl anders dabei nehmen können, und würde mir eben so wenig vergeben haben.
    CLAUDIA. Ich wollte dir das nicht sagen, meine Tochter, bevor dir es dein eigner gesunder Verstand sagte. Und ich wußte, er würde dir es sagen, sobald du wieder zu dir selbst gekommen.
    - Der Prinz ist galant. Du bist die unbedeutende Sprache der
    Galanterie zu wenig gewohnt. Eine Höflichkeit wird in ihr zur Empfindung; eine Schmeichelei zur Beteurung; ein Einfall zum Wunsche; ein Wunsch zum Vorsatze. Nichts klingt in dieser Sprache wie alles: und alles ist in ihr so viel als nichts. EMILIA. O meine Mutter! - so müßte ich 49
    mir mit meiner Furcht vollends lächerlich vor-kommen! -Nun soll er gewiß nichts davon erfahren, mein guter Appiani! Er könnte mich leicht für mehr eitel, als tugendhaft, halten. - Hui! daß er da selbst kömmt! Es ist sein Gang.

Siebenter Auftritt
    (Graf Appiani. Die Vorigen)

    APPIANI (tritt tiefsinnig, mit vor sich hinge-schlagnen Augen herein, und kömmt ihnen nä-
    her, ohne sie zu erblicken; bis Emilia ihm entgegen springt). Ah, meine Teuerste! - Ich war mir Sie in dem Vorzimmer nicht vermutend.
    EMILIA. Ich wünschte Sie heiter, Herr Graf, auch wo Sie mich nicht vermuten. - So feierlich?
    so ernsthaft? - Ist dieser Tag keiner freudigern Aufwallung wert?
    APPIANI. Er ist mehr wert, als mein ganzes Leben.
    Aber schwanger mit so viel Glückseligkeit für mich, - mag es wohl diese Glückseligkeit selbst sein, die mich so ernst, die mich, wie Sie es nennen, mein Fräulein, so feierlich macht. - (Indem 50
    er die Mutter erblickt) Ha! auch Sie hier, meine gnädige Frau! - nun bald mir mit einem innigern Namen zu verehrende!
    CLAUDIA. Der mein größter Stolz sein wird! -
    Wie glücklich bist du, meine Emilia! - Warum hat dein Vater unsere Entzückung nicht teilen wollen?
    APPIANI. Eben hab' ich mich aus seinen Armen gerissen; - oder vielmehr er, sich aus meinen. -
    Welch ein Mann, meine Emilia, Ihr Vater! Das Muster aller männlichen Tugend! Zu was für Ge-sinnungen erhebt sich meine Seele in seiner Gegenwart! Nie ist mein Entschluß immer gut, immer edel zu sein, lebendiger, als wenn ich ihn sehe -wenn ich ihn mir denke. Und womit sonst, als mit der Erfüllung dieses Entschlusses kann ich mich der Ehre würdig machen, sein Sohn zu heißen; - der Ihrige zu sein,
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