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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque
Autoren: Arc de Triomphe
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Au­gen … da ha­be ich es nicht mehr aus­ge­hal­ten und bin fort­ge­lau­fen.«
    Ra­vic dach­te an die Nacht. Er war einen Mo­ment ver­le­gen.
Aber es war ge­sche­hen, und es war egal, für ihn und für die Frau. Be­son­ders für
die Frau. Es war al­les egal für sie ge­we­sen in die­ser Nacht und nur das ei­ne
wich­tig: daß sie über­stand. Das Le­ben be­stand aus mehr als aus sen­ti­men­ta­len
Ver­glei­chen. Die Nacht, als La­vi­gne ge­hört hat­te, daß sei­ne Frau tot war, hat­te
er im Hu­ren­haus ver­bracht. Die Hu­ren hat­ten ihn ge­ret­tet; mit Pries­tern wä­re er
nicht durch­ge­kom­men. Wer das ver­stand, ver­stand es. Er­klä­run­gen da­für gab es
nicht. Aber es gab Ver­pflich­tun­gen da­durch.
    Er nahm sei­nen Man­tel. »Kom­men Sie! Ich wer­de mit Ih­nen
ge­hen. War es Ihr Mann?«
    »Nein«, sag­te die Frau.
    Der Pa­tron des Ho­tels Ver­dun war dick. Er hat­te kein
Haar mehr auf dem Schä­del, da­für aber einen ge­färb­ten schwar­zen Schnurr­bart und
schwar­ze, dich­te Au­gen­brau­en. Er stand im Ein­gangs­raum, hin­ter ihm ein Kell­ner,
ein Zim­mer­mäd­chen und ei­ne Kas­sie­re­rin oh­ne Bu­sen. Es war kein Zwei­fel, daß er
be­reits al­les wuß­te. Er tob­te auch so­fort los, als er die Frau her­ein­kom­men
sah. Sein Ge­sicht ver­färb­te sich, er fuch­tel­te mit den fet­ten, klei­nen Hän­den
und stru­del­te Wut, Ent­rüs­tung und, wie Ra­vic sah, Er­leich­te­rung her­vor. Als er
bei Po­li­zei, Frem­den, Ver­dacht und Ge­fäng­nis war, un­ter­brach Ra­vic ihn.
    »Sind Sie Pro­ven­za­le?« frag­te er ru­hig.
    Der Wirt stopp­te. »Nein. Was soll das?« frag­te er
ver­blüfft.
    »Nichts«, er­wi­der­te Ra­vic. »Ich woll­te Sie nur
un­ter­bre­chen. Das geht am bes­ten durch ei­ne völ­lig sinn­lo­se Fra­ge. Sie wür­den
sonst noch ei­ne Stun­de ge­re­det ha­ben.«
    »Herr! Wer sind Sie? Was wol­len Sie?«
    »Das ist der ers­te ver­nünf­ti­ge Satz, den Sie bis­her
ge­sagt ha­ben.«
    Der Wirt hat­te sich ge­faßt. »Wer sind Sie?« frag­te er
ru­hi­ger, mit der Vor­sicht, un­ter kei­nen Um­stän­den einen ein­fluß­rei­chen Mann zu
be­lei­di­gen.
    »Der Arzt.«
    Der Wirt sah kei­ne Ge­fahr mehr. »Wir brau­chen hier kei­nen
Arzt mehr«, kol­ler­te er aufs neue los. »Hier brau­chen wir die Po­li­zei.«
    Er starr­te Ra­vic und die Frau an. Er er­war­te­te Angst,
Pro­test und Bit­ten.
    »Ein gu­ter Ge­dan­ke. Warum ist sie nicht schon hier? Sie
wis­sen doch schon seit ei­ni­gen Stun­den, daß der Mann tot ist.«
    Der Pa­tron er­wi­der­te nichts. Er starr­te Ra­vic nur wei­ter
wü­tend an.
    »Ich will es Ih­nen sa­gen.« Ra­vic trat einen Schritt
nä­her. »Weil Sie kein Auf­se­hen wol­len Ih­rer Gäs­te we­gen. Es gibt ei­ne Men­ge
Leu­te, die aus­zie­hen, wenn sie so et­was hö­ren. Aber die Po­li­zei wird kom­men,
das ist das Ge­setz. Es liegt nur an Ih­nen, es un­auf­fäl­lig zu ma­chen. Das war
auch gar nicht Ih­re Sor­ge. Sie hat­ten Angst, daß man Ih­nen durch­ge­gan­gen sei
und Ih­nen al­les über­las­sen hät­te. Das war un­nö­tig. Au­ßer­dem hat­ten Sie Angst
we­gen Ih­rer Rech­nung. Sie wer­den be­zahlt wer­den. Und jetzt möch­te ich den To­ten
se­hen. Ich wer­de dann für al­les an­de­re sor­gen.«
    Ra­vic ging an dem Wirt vor­bei. »Wel­che Zim­mer­num­mer?«
frag­te er die Frau.
    »Vier­zehn.«
    »Sie brau­chen nicht mit­zu­ge­hen. Ich kann das al­lein
ma­chen.«
    »Nein. Ich möch­te nicht hier­blei­ben.«
    »Es ist ein­fa­cher, wenn Sie nichts mehr se­hen.«
    »Nein. Ich will nicht hier­blei­ben.«
    »Gut. Wie Sie wol­len.«
    Das Zim­mer war nied­rig und lag nach der Stra­ße. An der
Tür dräng­ten sich ein paar Zim­mer­mäd­chen, Haus­knech­te und Kell­ner. Ra­vic schob
sie bei­sei­te. Der Raum hat­te zwei Bet­ten; in dem an der Wand lag der Mann. Er
lag gelb und steif da wie ei­ne Fi­gur aus Kir­chen­wachs, mit krau­sen schwar­zen
Haa­ren, in ei­nem ro­ten Sei­den­py­ja­ma. Die Hän­de wa­ren zu­sam­men­ge­legt. Ne­ben ihm
auf dem Nacht­tisch stand ei­ne klei­ne, bil­li­ge, höl­zer­ne Ma­don­na, auf de­ren
Ge­sicht Spu­ren von Lip­pen­stift wa­ren. Ra­vic nahm sie hoch, »ma­de in Ger­ma­ny« stand
auf dem Rücken ein­ge­druckt. Ra­vic
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