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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque
Autoren: Der Funke Leben
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wor­den, als man SS-Hun­de an
ihm trai­niert hat­te. Der jüngs­te hieß Ka­rel und war ein Kna­be aus der
Tsche­cho­slo­wa­kei.
    Sei­ne El­tern wa­ren tot; sie düng­ten das Kar­tof­fel­feld ei­nes from­men Bau­ern im
Dor­fe West­la­ge. Die Asche der Ver­brann­ten wur­de näm­lich im Kre­ma­to­ri­um in Sä­cke
ge­füllt und als künst­li­cher Dün­ger ver­kauft. Sie war reich an Phos­phor und
Kal­zi­um.
    Ka­rel trug das ro­te Ab­zei­chen des po­li­ti­schen Ge­fan­ge­nen. Er war elf Jah­re alt.
    Der äl­tes­te Ve­teran war zwei­und­sieb­zig. Er war ein Ju­de, der um sei­nen Bart
kämpf­te. Der Bart ge­hör­te zu sei­ner Re­li­gi­on.
    Die SS hat­te ihn ver­bo­ten, aber der Mann hat­te im­mer wie­der ver­sucht, ihn
wach­sen zu las­sen. Er war im Ar­beits­la­ger je­des Mal da­für über den Bock
ge­kom­men und ver­prü­gelt wor­den. Im Klei­nen La­ger hat­te er mehr Glück. Die SS
küm­mer­te sich hier we­ni­ger um die Re­geln und kon­trol­lier­te auch sel­ten; sie
hat­te zu viel Angst vor Läu­sen, Dys­en­te­rie, Ty­phus und Tu­ber­ku­lo­se.
    Der Po­le Ju­li­us Sil­ber hat­te den Al­ten Ahas­ver ge­nannt, weil er fast ein
Dut­zend hol­län­di­scher, pol­ni­scher, ös­ter­rei­chi­scher und deut­scher
Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger über­lebt hat­te. Sil­ber war in­zwi­schen an Ty­phus ge­stor­ben
und blüh­te als Pri­mel­busch im Gar­ten des Kom­man­dan­ten Neu­bau­er, der die
To­ten­asche gra­tis be­kam; doch der Na­me Ahas­ver war ge­blie­ben. Das Ge­sicht des
Al­ten war im Klei­nen La­ger ge­schrumpft, aber der Bart war ge­wach­sen und jetzt
Hei­mat und Wald für Ge­ne­ra­tio­nen kräf­ti­ger Läu­se.
    Der Stu­be­näl­tes­te der Sek­ti­on war der frü­he­re Arzt Dr. Eph­raim Ber­ger. Er war
wich­tig ge­gen den Tod, der die Ba­ra­cke eng um­stand. Im Win­ter, wenn die
Ske­let­te auf dem Glatteis ge­fal­len wa­ren und sich die Kno­chen ge­bro­chen hat­ten,
hat­te er man­che schie­nen und ret­ten kön­nen. Das Hos­pi­tal nahm nie­mand vom
Klei­nen La­ger auf; es war nur da für Leu­te, die ar­beits­fä­hig wa­ren und für
Pro­mi­nen­te. Im Großen La­ger war das Glatteis im Win­ter auch we­ni­ger ge­fähr­lich
ge­we­sen; man hat­te die Stra­ße wäh­rend der schlimms­ten Ta­ge mit Asche aus dem
Kre­ma­to­ri­um be­streut. Nicht aus Rück­sicht auf die Ge­fan­ge­nen, son­dern um
brauch­ba­re Ar­beits­kräf­te zu be­hal­ten.
    Seit der Ein­glie­de­rung der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in den all­ge­mei­nen
Ar­beitseinsatz wur­de mehr Wert dar­auf ge­legt. Als Aus­gleich ar­bei­te­te man die
Häft­lin­ge al­ler­dings ra­scher zu To­de. Die Ab­gän­ge mach­ten nichts aus; es wur­den
täg­lich ge­nug Leu­te ver­haf­tet.
    Ber­ger war ei­ner der we­ni­gen Ge­fan­ge­nen, die Er­laub­nis hat­ten, das Klei­ne La­ger
zu ver­las­sen. Er wur­de seit ei­ni­gen Wo­chen in der Lei­chen­hal­le des Kre­ma­to­ri­ums
be­schäf­tigt.
    Stu­be­näl­tes­te brauch­ten im all­ge­mei­nen nicht zu ar­bei­ten, aber Ärz­te wa­ren
knapp; des­halb hat­te man ihn kom­man­diert. Es war vor­teil­haft für die Ba­ra­cke.
Über den La­za­rett­ka­po, den Ber­ger von frü­her kann­te, konn­te er so manch­mal
et­was Ly­sol, Wat­te, Aspi­rin und ähn­li­ches für die Ske­let­te be­kom­men. Er be­saß
auch ei­ne Fla­sche Jod, die un­ter sei­nem Stroh ver­steckt war.
    Der wich­tigs­te Ve­teran von al­len je­doch war Leo Le­ben­thal.
    Er hat­te ge­hei­me Ver­bin­dun­gen zum Schleich­han­del des Ar­beits­la­gers und, wie es
hieß, so­gar wel­che nach drau­ßen. Wie er das mach­te, wuß­te kei­ner ge­nau. Es war
nur be­kannt, daß zwei Hu­ren aus dem Eta­blis­se­ment »Die Fle­der­maus«, das vor der
Stadt lag, da­zu­ge­hör­ten. Auch ein SS-Mann soll­te be­tei­ligt sein; doch da­von
wuß­te nie­mand wirk­lich et­was. Und Le­ben­thal sag­te nichts.
    Er han­del­te mit al­lem. Man konn­te durch ihn Zi­ga­ret­ten­stum­mel be­kom­men, ei­ne
Mohr­rü­be, manch­mal Kar­tof­feln, Ab­fäl­le aus der Kü­che, einen Kno­chen und hier
und da ei­ne Schei­be Brot. Er be­trog nie­man­den; er sorg­te nur für Zir­ku­la­ti­on.
Der Ge­dan­ke, heim­lich für sich
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