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Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Titel: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
Autoren: Michael Marcus Thurner
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schwache Novembersonne streckte ihre Fühler aus. Das Licht reichte nicht bis zu den ebenerdigen Geschossen der Häuser herab. Nur da und dort glitzerte ein verirrter Strahl in einer Geschäftsauslage.
    Die Straßen sahen so ganz anders aus als am Vorabend. Geschäftigkeit herrschte entlang der Tower Street. Polizisten regelten den Verkehr, Helfer errichteten Straßensperren, erste Maskierte liefen umher. Besonders beliebt, so bemerkte Robert, waren die Guy-Fawkes-Masken, die Hugo Weaving im Film »V for Vendetta« getragen hatte.
    »Was hast du vor, Nadja? Wohin geht’s?«
    »Wir werden zuallererst einen Spaziergang durch die Stadt machen, werden uns treiben lassen. Ich möchte, dass du so viel wie möglich fotografierst«, sagte Nadja eindringlich. »Lass dich von den Menschen inspirieren. Ich möchte zuallererst herausfinden, wie ›echt‹ dieses Festival ist. Ob es die Leute annehmen oder ob es sich bloß um einen touristischen Herdenauftrieb handelt.« Sie klatschte in die Hände, marschierte vorneweg. »Mach schon, du lahme Schnecke. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Clifford’s Tower kam bald in Sicht. Bereits um diese frühe Zeit wurde der Turm, der viele Jahrhunderte überdauert hatte, von Touristenschwärmen belagert. Angewidert wandte sich Robert ab. Und wenn ihn der mehr als zwölf Meter hohe Steinbau noch so sehr beeindruckte – er hasste Touristenaufläufe. In eng gesteckte Zeitpläne eingebunden, hetzten die Menschen von einem Ort zum anderen, schossen ein paar Fotos, kauften Souvenirs und heuchelten Interesse vor, um ein paar Minuten danach die nächste Sehenswürdigkeit erklärt zu bekommen. Kaum jemand nahm sich die Muße, sich anhand alter Relikte in längst vergangene Zeiten zurückzuversetzen und zu
spüren
, was hier vor langer Zeit geschehen war.
    »Du urteilst schon wieder voreilig«, unterbrach Nadja seine Gedanken.
    »Ist mir mein Widerwille so sehr anzusehen?«
    »Und ob! Du siehst aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen. Und immer, wenn dir etwas nicht passt, summst du leise vor dich hin.«
    »Du machst mir Angst, Nadja. Du kennst mich besser als meine Eltern.«
    »Also komm – mach dich an die Arbeit«, sagte sie ungeduldig.
    Robert atmete tief durch. Zögernd griff er nach der Digitalkamera und knipste erste Fotoserien. Willkürlich, ohne lange nachzudenken. Er ließ sich von Gefühlen und Ahnungen treiben, zoomte näher an Personen heran, analysierte Alltagssituationen auf der Straße und hielt sie fest. Immer weiter drängte er sein Ich in den Hintergrund, wurde selbst zum Objektiv. Zum Auge der Kamera, das beobachtete und den Zauber des Moments festhielt.
    Das Geschehen rings um ihn wurde nebensächlich, war lediglich die Staffage dessen, was er eigentlich sah. Menschen. Emotionen. Begegnungen. Zufälligkeiten. Augenblicke des Schicksals.
    Eine Melodie begleitete ihn. Ein Gesang, hoch und fast schrill. Die Stimme blieb unverständlich. Sie klang so wie jene gestern Abend, war bloß noch um eine schreckliche Nuance intensiver.
    Nur kurz schreckte er aus seiner Arbeit hoch und wechselte den Speicher. Wie ein Rausch war es; er vergaß die Person Robert Waller, vergaß die Zeit, vergaß den Ort. Es blieb nur noch die Suche nach dem Motiv, nach dem perfekten Bild ...
    »Es reicht vorerst«, unterbrach ihn Nadja und schob die Kamera von seinen Augen.
    »Wie bitte? Ich habe doch gerade erst angefangen!« Er sah sich um. Sie standen neben dem Einstieg zur Kabine eines Riesenrades, das gut und gerne fünfzig Meter in die Höhe ragte.
    »Du knipst seit fast zwei Stunden. Das müssen tausend oder mehr Aufnahmen gewesen sein.«
    »Tatsächlich?« Robert wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es fiel ihm schwer, in die Wirklichkeit zurückzukehren.
    »Wir werden eine Runde mit dem Ding da drehen.« Nadja deutete auf eine lange Schlange wartender Menschen, die sich eineinhalbfach um das Riesenrad zog. »Dort oben kannst du dich nochmals kräftig austoben. Anschließend suchen wir uns eine Fish-’n’-Chips-Bude, einverstanden?«
    Robert nickte. Er spürte plötzlich Heißhunger.
    Der seltsame Gesang war nach wie vor zu hören. Er verebbte nur allmählich und ließ einen Hunger nach
mehr
, nach
viel mehr
zurück.

3 Gofannon
Täuschung und Tarnung
    Gofannon überlegte während des langen Fußmarsches, inwiefern Fanmórs Tod der Königin nutzte. Immerhin besaß er als Hoher Herr das Recht, den Grauen Herrn von Annuyn um drei Prüfungen zu bitten, um in seinen Lebensbereich
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