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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern
Autoren: Ravensburger
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es nicht erwartet, aber er blieb tatsächlich stehen. Nicht aus Freundlichkeit, erkannte Lily, sondern weil es sein Job war, auf Anordnungen zu reagieren. Sie versuchte, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen, als sie trotz Schnee zwei Stufen auf einmal nahm und sich dem älteren Mann näherte.
    „Mr Jamesson“, keuchte sie, „ich brauche ganz dringend Ihre Hilfe. Ich brauche ein Pferd. Bitte“, fügte sie hinzu und schämte sich für die Notlüge, die sie jetzt erzählen würde. „Ich muss zu Lady Emma.“
    Im Gesicht des Mannes veränderte sich etwas. „Oh“, sagte er. „Sie sind das, Lady Emmas Freundin.“ Er schaute Rose an. „Und Sie sind mit Master Swanscot zum Ball gegangen?“
    Rose machte einen kleinen Knicks, eine Geste, die erstaunlicherweise gar nichts Verächtliches hatte, sondern nur freundlich wirkte.
    „Na dann, kommen Sie mal mit, meine Damen. Ich bin mir sicher, wir finden ein Pferd für Sie.“
    Und sie fanden nicht nur irgendeins: Mit Jamessons Hilfe gelang es Lily sogar, Duchess zu bekommen.
    Rose sah mit vor der Brust verschränkten Armen zu, wie Lily die Stute aus ihrer Box führte. Zwei Stallburschen warfen Duchess in Windeseile den Sattel auf den Rücken und zäumten sie auf.
    Lily streckte bittend eine Hand nach ihrer Schwester aus. „Du darfst mich jetzt nicht allein lassen, Rosie. Reitest du mit mir?“
    Rose beäugte das Pferd skeptisch. „Weißt du denn, wie das geht?“
    „Duchess weiß es“, versicherte ihr Lily und schlang der Stute die Arme um den Hals. „Du bringst mich zu Jolyon, ja?“, flüsterte sie ihr zu.
    „Die Jäger wollten sich bei der kleinen Brücke sammeln, Miss“, sagte Jamesson.
    Lily fand ihn richtig nett. Aber anders als Porter Chapman musste sie sich von ihm ja auch nicht herumkommandieren lassen.
    „Wissen Sie, wo das ist?“
    Lily nickte.
    „Danach wechseln sich Wald und Felder ab. Ideal für eine Jagd“, erklärte der Mann. „So bieten sich für den Fuchs immer wieder Gelegenheiten, unbeobachtet eine neue Fährte zu legen und sich zu verstecken.“
    Das hoffte Lily doch sehr. Sie packte die Zügel und saß auf. Sobald sie im Sattel thronte, fühlte sie sich besser. Duchess’ Muskeln bewegten sich geschmeidig und ihre Ohren zuckten erwartungsvoll. Lily wusste: Dieses Pferd würde sie zu Jolyon tragen.
    „Komm, Schwesterchen.“ Lily reichte eine Hand zu Rose hinunter. „Wir müssen.“
    Rose seufzte tief. Doch sie griff zu und schwang sich zu ihrer Schwester in den Sattel. Sofort schlang sie die Arme um Lilys Taille. „Himmel ist das hoch.“
    „Du gewöhnst dich dran“, sagte Lily über die Schulter. „Halt dich nur schön fest.“ Dann beugte sie sich vor und klopfte Duchess’ Hals. „Los, mein Mädchen. Bring uns zu den anderen.“
    „Der Gaul versteht dich doch gar nicht“, rief Rose.
    „Doch“, behauptete Lily. „Duchess versteht alles.“
    Duchess preschte im leichten Galopp durch den Park. Der Schnee gleißte im Sonnenschein so hell, dass Lily die Augen zusammenkniff. Der Wind griff in ihr Haar und sang ihr ein Lied von donnernden Hufen und roten Flecken in einer weißen Landschaft.
    Sie erreichten den Waldrand. Licht sickerte durchs Geäst. Sicher fand Duchess ihren Weg durch das Labyrinth der hohen Stämme, galoppierte auf dem schmalen Pfad an und, ohne zu zögern, über die Brücke am Bach hinweg.
    Dort zügelte Lily die Stute für einen Moment. Das Wasser gluckste hinter ihnen. Vor ihnen hatten unzählige Hufe den Schnee zerwühlt.
    „Los, wir folgen den Spuren.“
    Und jetzt machte Duchess Ernst. Sie jagte über das erste Feld dahin, dass Lily sich mit aller Kraft festklammern musste. Auch Roses Griff um ihre Mitte wurde fester.
    Duchess überquerte eine Allee, kletterte eine Böschung hinunter und gewann gerade wieder auf freiem Gelände an Geschwindigkeit, als ein Schrei durch die Luft gellte.
    Lily fühlte ihr Blut zu Eis werden. Ihre Finger, die Duchess’ Zügel hielten, wurden schlaff. „Nein“, flüsterte sie.
    Rose hieb ihr in den Rücken. Als Lily nicht reagierte, rief sie: „Weiter, Duchess!“
    Duchess gehorchte. Lily wurde ziemlich durchgeschüttelt, bis sie sich wieder im Griff hatte und ihre Bewegungen denen der Stute anpasste. Sie legte eine Hand auf die ineinandergekrallten Finger ihrer Schwester. Danke fürs Nervenbehalten, dachte sie.
    Und dann sah sie rote Jacken in weißer Landschaft und Sonne, die sich in blanken Stiefeln spiegelte. Die meisten Fey standen neben ihren Pferden und hielten
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