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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit
Autoren: J Carey
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dass ihre Lider blau schimmerten, wenn sie die Augen schloss, und sie hatte Wimpern, die sich wie eine Welle auf ihrer zarten Wange brachen.
    Ich hatte nur wenig mit ihnen gemein.
    Mit den anderen auch nicht, um die Wahrheit zu sagen – weder mit dem hübschen Etienne, Ellyns Halbbruder, mit seinen Engelslocken von blassestem Gold, noch mit Calantia, trotz ihres fröhlichen Lachens. Sie waren bekannte Größen, deren Wert festgelegt, deren Zukunft gesichert war; sie waren gebilligten Verbindungen entsprungen und dazu bestimmt, wenn nicht in diesem, dann gewiss in einem anderen Haus zu dienen.

    Versteht mich nicht falsch, ich war nicht verbittert. Die Jahre vergingen auf diese Weise angenehm und ohne Herausforderungen in der Gesellschaft der anderen. Die Adepten waren freundlich und wechselten sich darin ab, uns ein erstes Grundwissen zu vermitteln; Poesie, Gesang und Musik, wie man Wein einschenkt und ein Schlafgemach vorbereitet und am Tisch als hübsche Zierde aufwartet. Auch mir war all dies gestattet, solange ich die Augen immer gesenkt hielt.
    Ich war, was ich war: das ungewollte Balg einer Hure. Dies mag grausam klingen, aber wisset, was ich noch im Cereus-Haus lernte: Der Heilige Elua liebte mich trotzdem. Denn war nicht auch er nur das ungewollte Balg einer Hure?
    Meine Eltern, die in der Schwärmerei ihrer irdischen Hingabe gefangen waren, hatten sich nie die Mühe gemacht, mich die Grundlagen unseres Glaubens zu lehren. Im Cereus-Haus genossen sogar die Kinder die Vorzüge einer priesterlichen Unterweisung.
    Bruder Louvel kam jede Woche und setzte sich im Schneidersitz zu uns in die Kinderstube, um uns an den Lehren Eluas teilhaben zu lassen. Ich mochte ihn sehr, weil er schön war, mit seinen langen, blonden Haaren, die er zu einem seidigen Zopf zusammenflocht, und Augen so blau wie die Tiefen des Ozeans. Er war einst Adept des Gentiana-Hauses gewesen, bis ein Gönner seine Marque kaufte und ihm die Freiheit gab, seinen schwärmerischen Träumen zu folgen. Sich um Kinder zu kümmern, war einer davon. Er nahm einen oder gleich zwei von uns auf seinen Schoß und ließ für uns die alten Sagen mit seiner Träumerstimme wieder aufleben.
    So erfuhr ich, während ich auf dem Knie eines ehemaligen Adepten schaukelte, wie der Heilige Elua auf die Welt kam: Als Yeshua ben Yosef sterbend am Kreuz hing, durchbohrte ein tiberischer Soldat seine Seite mit der grausamen Klinge einer Speerspitze. Die Frauen trauerten, als man Yeshua herunternahm, allen voran Magdalena, die ihr dichtes, rötlich-goldenes Haar herabfallen ließ, um seinen leblosen und nackten Körper damit zu bedecken. Ihre bitteren Tränen tropften auf den vom Blute des Messias’ tiefrot gefärbten und durchtränkten Boden.

    Aus diesem Bund brachte die trauernde Erde ihren teuersten Sohn hervor: den Heiligen Elua, den meist geliebten aller Engel.
    Ich lauschte mit der gespannten Faszination eines Kindes, als Bruder Louvel uns von der Wanderschaft Eluas erzählte. Von den Yeshuiten als Teufelsbrut verabscheut und vom Reich der Tiberer als Nachkomme seines Feindes verschmäht, zog Elua durch die Welt, durch weite Wüsten und karges Land. Der Eine Gott, dessen Sohn ihn gezeugt hatte, verachtete Elua, so wandelte er schließlich barfuß auf dem Busen seiner Mutter Erde und sang dabei, und wo er auch ging, sprossen Blumen in seinen Fußspuren.
    Als man ihn in Persis gefangen nahm und der König ihn in Ketten legen ließ, schüttelte er nur lächelnd den Kopf; da fingen Weinreben an zu sprießen und schmückten seine Zelle. Die Kunde seiner Wanderschaft war auch bis in den Himmel gedrungen, und als er in Gefangenschaft geriet, verließ eine kleine Schar die Gemeinschaft der Engel und folgte seinem Ruf. Sie setzte sich über den Willen des Einen Gottes hinweg und kam im antiken Persis auf die Erde.
    Naamah, die älteste Schwester, ging lächelnd zum König und bot sich mit gesenkten Lidern im Austausch für Eluas Freiheit an. Von ihrer Schönheit berauscht, nahm der König von Persis ihr Angebot an, und noch immer erzählt man die Geschichte von des Königs Freudennacht. Als sie die Tür zu Eluas Zelle öffneten, strömte der lieblichste Blumenduft hervor, und Elua trat singend und mit einem Rebenkranz gekrönt heraus.
    Aus diesem Grund, erklärte uns Bruder Louvel, verehren wir Naamah und treten in ihren Dienst als eine heilige Pflicht. Doch der König verriet Elua und seine Anhänger und gab ihnen starken Wein zu trinken, der mit Baldrian versetzt war.
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