Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
da übrigens ein blaues Auge.«
    Der Wirt nickte ihnen zu, als sie wieder eintraten. »Zwei Bier?«
    Beide Männer tranken und rauchten ein weiteres Pfeifchen. Dem Zwerg entfuhr hin und wieder ein grimmiger Laut, wenn er den blauen Fleck betastete, der seinen Wangenknochen zierte. Der Schankraum hatte sich geleert, und der Junge, der bisher die Krüge gespült hatte, ging nun herum, sammelte herumstehendes Geschirr ein, löschte das Licht und stellte die Stühle hoch.  »Waren das nur die üblichen besoffenen Schwachköpfe, oder hätten wir sie uns genauer ansehen müssen?«, fragte Lluigolf.
    Trurre kaute auf dem Mundstück seiner Pfeife herum. »Nur das Übliche, denke ich.« Er runzelte die Stirn.
    »Du scheinst recht zu behalten.« Lluigolf reckte die Arme und gähnte. »Sie kommt nicht. Ich wäre nicht abgeneigt, mir eine Mütze Schlaf zu holen, bin seit zwei Tagen auf den Beinen. Was meinst du?«
    Statt einer Antwort rutschte der Zwerg von der Bank und ging zum Tresen. Der Wirt hörte auf, seine Kasse zu sortieren, und beugte sich zu Trurre hinunter. Dann nickte er und wies auf die Ecke des Raums, die auch den Kamin beherbergte.
    Trurre kehrte an den Tisch zurück und zog seinen Reisepack unter der Bank hervor. »Ich habe keine Lust, im Stall zu schlafen«, sagte er. »Der Wirt hat nichts dagegen, wenn wir in der Schankstube übernachten. Dann ist wenigstens sein Biervorrat sicher, meinte er.«
    Lluigolf grinste. »Dass er so viel Vertrauen in zwei Vagabunden wie uns setzt, finde ich erstaunlich. Was hast du mit ihm angestellt, alter Hexer?«
    Trurre trat ihm kurz und fest auf den Fuß. »Hör auf zu schwätzen, Halber«, brummte er. »Nimm dein Bündel und komm!«
    Sie rollten sich am Feuer in ihre Decken. Trurre benutzte seinen Mantel als Kissen, umklammerte seinen Wanderstock und starrte noch eine Weile in die Dunkelheit. Der Wirt war ins obere Geschoss hinaufgestiegen, und sie hörten noch ein paarmal die Dielen unter seinen Schritten knarren. Aus einem der Gastzimmer drang gedämpftes Schnarchen.
    Der Zwerg lauschte lange dem ruhigen Atem Lluigolfs, der im selben Augenblick eingeschlafen war, als er seinen Rucksack unter den Kopf geschoben und die Decke über sich gezogen hatte.  Mit einem resignierten Seufzer erkannte er schließlich, dass er wohl vorerst keinen Schlaf finden würde. Er richtete sich auf, lehnte sich an die warme Ziegelmauer neben dem Kamin und fischte seine Pfeife wieder aus der Tasche.
    Während er sie stopfte und in Brand setzte, lauschte er den nächtlichen Geräuschen. In der Ferne hörte er trunkenen Gesang, der kurz darauf abrupt verstummte. Ein Pferd in den Stallungen wieherte leise, es klang, als würde es im Schlaf reden.
    Trurre legte seinen Wanderstock quer über den Schoß und fuhr gedankenverloren über die Knoten und Kratzer, die ihn bedeckten. Seine Lippen bewegten sich stumm.
    Eine Bewegung im tiefen Schatten neben der Eingangstür ließ ihn aufmerken. Er legte bedächtig seine Pfeife neben sich und richtete sich auf, den Stock abwehrbereit vor sich gereckt. Nahezu unhörbare, weiche Schritte flüsterten über den Boden auf ihn zu, aber sein Blick traf nur auf dichte, undurchdringliche Finsternis. Zu dicht, zu undurchdringlich. Etwas Gefährliches bewegte sich auf ihn zu, lauernd, tödlich, brachte die Haare in seinem Nacken dazu, sich aufzurichten. Er stand da, bereit zum Sprung, bereit, sich gegen das Unsichtbare zu verteidigen, und seine Lippen bewegten sich immer noch lautlos flüsternd. Die scharfen Zwergenaugen unter den dichten Brauen fixierten einen Punkt in der Luft, der jetzt nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war. Die Nacht hielt den Atem an …
    Trurre ließ den Stock sinken und setzte sich zurück auf die Fersen.
    Die Dunkelheit entließ ein leises Lachen, und eine schwarz gekleidete Gestalt kauerte neben ihm nieder. Die Kapuze ihres Mantels zurückschlagend, enthüllte sie eisblondes Haar und helle Augen, die den Zwerg lächelnd musterten.
    »Rutaaura, meine Liebe«, begrüßte Trurre sie mit Erheiterung in der tiefen Stimme. »Du hast mich zu Tode erschreckt!«
    »Wo ist Lluis, mein scharfsichtiger Freund?«, fragte die Elbin. Der Zwerg deutete auf das Deckenbündel neben sich und blinzelte verdutzt, als er erkennen musste, dass niemand darunter lag. »Hier bin ich.« Eine Gestalt löste sich aus dem Winkel neben dem Kamin, und die ersterbende Glut hob das kräftige Profil mit der großen Nase und den schwerlidrigen Augen hervor. Der Mann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher