Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismord

Eismord

Titel: Eismord
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
erwischt. Als dieser letzte Name vorgelesen wurde, hatten Cardinals Kollegen sich nicht die geringste Mühe gegeben, ein Feixen zu unterdrücken.
    Delorme dagegen hatte Lonnie Laird, ein vermisstes junges Mädchen, erwischt, das aller Wahrscheinlichkeit nach dem Serienmörder Laurence Knapschaeffer zum Opfer gefallen war, auch wenn dafür bis dato die Beweise fehlten. Es kostete Delorme genau eine Fahrt nach Penetanguishene zur Anstalt für geistesgestörte Straftäter und eine fünfundvierzigminütige Befragung, um Knapschaeffer ein schriftliches Geständnis zu entlocken. Vielleicht war der Erfolg ihren hervorragenden Ermittlerfähigkeiten gedankt, vielleicht aber auch – wie Ian McLeod mutmaßte – der Tatsache, dass Knapschaeffer noch nie zuvor die ungeteilte Aufmerksamkeit einer so attraktiven Frau vergönnt gewesen war.
    Scriver war der älteste ungelöste Fall in der Geschichte der Kripo Algonquin Bay, die sich zusammen mit den Kollegen von der OPP , der Provinzpolizei Ontario, immer wieder die Zähne daran ausgebissen hatte. Schon bei Cardinals Dienstantritt lag der Fall Jahre zurück. Inzwischen waren sämtliche Beamten, die damals daran gearbeitet hatten, entweder längst pensioniert oder verstorben.
    Um den 15. Juli 1970 herum hatte die Familie Scriver mutmaßlich in ihrem kleinen Boot mit Außenbordmotor ihr Cottage am Trout Lake verlassen und war nie zurückgekehrt. Die Cottagetür war nicht abgeschlossen. Die Reste des Abendessens standen noch auf dem Tisch. Keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung.
    Die Vermissten: Walt Scriver, fünfundvierzig, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Land- und Forstwirtschaft (wie das Naturschutzamt damals noch hieß). Seine Frau Jenny Scriver, dreiundvierzig, Hausfrau und Teilzeitlehrerin. Ihr achtzehnjähriger Sohn Martin, der von seinem Ferienjob bei der Rotwildzählung übers Wochenende nach Hause gekommen war. Alle, wie es aussah, bei einem Unfall ertrunken.
    Cardinal schrieb in großen Buchstaben auf seinen Block
Gelöst: Entführung durch Außerirdische.
    Es klingelte an der Wohnungstür, und Cardinal ging zur Gegensprechanlage, um Lise Delorme hereinzulassen. Zu den unvorhergesehenen Vorteilen seines Wohnungswechsels gehörte es, dass jetzt nur fünf Fußminuten zwischen ihm und Lise Delorme, seiner Lieblingskollegin, lagen. Bei seinem Einzug war Delorme vorbeigekommen und hatte ihm dabei geholfen, Teppiche zu entrollen und Gardinen aufzuhängen. Einfach nur aus Freundlichkeit, nahm Cardinal an, sie hätte dasselbe für jeden anderen getan.
    Da stand sie nun – eine DVD in der einen Hand, eine riesige Dose Popcorn in der anderen, burschikos in Flanellhemd und Jeans in seiner Tür. Eine Frau, die so wenig nach einer Polizistin aussah, musste man erst mal finden.
    »Monster«,
sagte sie und hielt die DVD hoch. Auf der Hülle prangten überdimensionale Insekten. »Oder meinst du, das erinnert zu sehr an die Arbeit?«
    Cardinal legte die DVD ein und hantierte ein paar Minuten an der Fernbedienung herum, die nie zwei Mal nacheinander funktionierte.
    »Mann, ist das schwül hier drinnen«, sagte Delorme. »Haben die immer noch nicht deine Ventilation repariert?«
    »Erinnere mich bloß nicht daran. Dieser Wohnungskauf war vielleicht einer der dümmsten Fehler meines Lebens.«
    Delorme warf einen Blick auf den Aktenstapel. »Hey, gratuliere. Wie ich sehe, hast du Scriver gelöst.«
    »Sicher. War eigentlich ganz einfach.«
    Cardinal in seinem Fernsehsessel, Delorme auf der Couch. Er hielt immer eine Steppdecke zusammengefaltet über der Rückenlehne bereit, weil Delorme schnell fror – diese riesigen Flachglasfenster mit Blick über den See. Delorme war irgendwo zwischen dreißig und vierzig, von feurigem Temperament und mit einer einnehmenden Figur. Mehr als ein Mal hatte Cardinal den Drang verspürt, über den kleinen Tisch zu greifen, der sie beide trennte, und sie zu berühren, doch er hatte der Versuchung widerstanden. Diese Freundschaft zwischen ihnen hatte sich einfach ergeben, und schon bald fühlte es sich so an, als wäre es schon immer so gewesen und würde für immer so sein.
    Sie erzählte ihm gerade von einem Jäger, den man nach zwei mühseligen Rasterfahndungen in der Nähe des Reservats am Nipissing gefunden hatte – mit ein paar Frostbeulen, aber sonst wohlauf. Zwei oder drei Mal im Jahr verirrten sich Jäger und zehrten an den Ressourcen der Polizei, ganz zu schweigen von der Geduld derjenigen, die nach ihnen suchen mussten. »Was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher