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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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sie erklärt, als sie sein irritiertes Gesicht gesehen hatte.
    Er hatte verwirrt und zunehmend verärgert gefragt, warum sie ihm das damals nicht erzählt habe, warum sie überhaupt über ihren Tod nachdenke, warum sie sich nicht stattdessen darauf konzentriere, die Krankheit zu besiegen.
    Er hatte keine Antwort erhalten. Das Funkeln in ihren Augen hatte ihm signalisiert, dass sie mit seiner Reaktion nicht einverstanden war, und er hatte seine Wut sofort bereut. Er war hinter sie getreten und hatte sie an sich gedrückt. Nach kurzem Sträuben hatte sie seine Umarmung erwidert und begonnen, von ihrem Ausflug nach Lenganiemi zu erzählen, den er kaum noch in Erinnerung hatte, von dem er nur wusste, dass er schön gewesen war, zu schön, um Platz zu finden in der Gegenwart, die ihn erdrückte. Er hatte sich innerlich geweigert zuzuhören und war erleichtert gewesen, als Sannas Redefluss allmählich abgeebbt war.
    Sie hatte anschließend lange nicht mehr über ihren Tod gesprochen, und er hatte das Thema vermieden, aus Angst und weil er sich bis zum Schluss, auch als er wusste, dass er sich belog, eingeredet hatte, dass Hoffnung bestehe … dass sie den Kampf gewinnen könne, wenn sie nur den Gedanken an das Sterben abschüttelte.
    Vor einigen Wochen, kurz bevor sich ihr Zustand so deutlich verschlechterte, dass Joentaa langfristig Urlaub beantragte, hatte sie ihm erzählt, alles sei vorbereitet. Er hatte zunächst nicht verstanden.
    Es sei nicht ganz die Stelle, die sie gewollt habe, hatte sie gesagt, aber sie liege zwischen der Kirche und dem Meer.
    Er hatte sich langsam von seiner Verblüffung erholt und gefragt, warum sie ihn nicht früher informiert habe. Sie hatte gelächelt, ihn umarmt und die Frage im Raum stehen lassen. Später hatte sie ihm erzählt, dass sie mit dem Gemeindepfarrer gesprochen habe und dass er sich nach ihrem Tod mit ihm in Verbindung setzen solle.
    Er hatte etwas sagen wollen, aber sie hatte mit dem Zeigefinger seine Lippen verschlossen.
    Nach dem Telefonat mit dem Krankenhaus fuhr er nach Lenganiemi. Als er mit der Fähre übersetzte, kam schemenhaft die Erinnerung an den Tag zurück, den er mit Sanna auf der Insel verbracht hatte. Es war damals viel kälter gewesen, ein Tag im Herbst oder im Winter.
    Er fuhr den Feldweg hinauf und stellte überrascht fest, dass er genau wusste, welche Richtung er einschlagen musste. Nach einer Weile sah er die Kirche, deren kräftiges Rot sich scharf vom hellblauen Himmel abhob. Er parkte den Wagen auf dem sandigen Vorplatz und ging langsam auf die Gräberreihen zu, die im Schatten der Bäume lagen.
    Zwei Frauen, eine sehr alte und eine mittleren Alters, kamen ihm entgegen. Die ältere Frau stützte sich auf die jüngere und redete wirr auf sie ein. Die Jüngere versuchte, sie zu beruhigen. Er grüßte sie, als sich ihre Wege kreuzten, aber die beiden bemerkten ihn nicht.
    Er fragte einen Friedhofsgärtner, der an einem Grab Blumen goss, nach dem Pfarrhaus. »Neben der Kirche«, sagte der Mann und deutete in die Richtung, die er meinte. Joentaa bedankte sich und war schon einige Schritte gegangen, als der Mann ihm etwas zurief. »Falls sie den Pfarrer suchen, der ist in der Kirche, Chorprobe …«
    Joentaa bedankte sich noch einmal. Als er die Kirchentür öffnete, hörte er leise den Gesang von Kindern. Er setzte sich in die hinterste Bankreihe und versuchte zuzuhören. Nach einigen Minuten begann er, stark zu frieren. Er stand auf und wollte gerade nach draußen gehen, als der Pfarrer die Probe beendete.
    »Vielen Dank, für heute habt ihr’s überstanden«, rief er und sammelte lächelnd die Gesangsbücher ein. Die Kinder rannten an Joentaa vorbei ins Freie. Er ging langsam auf den Pfarrer zu, der sorgfältig die Bücher stapelte und die Kerzen ausblies.
    »Entschuldigung«, sagte Joentaa. Der Pfarrer wandte sich um und sah ihm ins Gesicht. Joentaa fielen sofort die schelmisch blitzenden Augen auf, die unruhig hin und her wanderten. »Ja, bitte?«, sagte der Pfarrer.
    »Mein Name ist Joentaa. Meine Frau … Sanna Joentaa …«
    Der Pfarrer unterbrach ihn. »Natürlich, ich erinnere mich«, sagte er, hielt kurz inne. »Ist sie gestorben?«
    Joentaa nickte.
    »Das tut mir sehr leid.« Er holte kurz Luft. »Ihre Frau hat zwei Mal mit mir gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass ihr Lenganiemi sehr gefällt. Sie fand es schön, dass der Friedhof direkt ans Meer grenzt.« Er machte eine Pause. »Kommen Sie«, sagte er und ging mit schnellen kleinen
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