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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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fragen, Moment.« Er wandte sich ab und lief in Richtung des Schwesternzimmers. Joentaa sah ihm nach. Wenig später kam die stämmige Schwester auf ihn zu, die in der Nacht an Sannas Bett gestanden und keine Regung gezeigt hatte. Sie blieb vor ihm stehen und sah zu ihm hinauf, fixierte seine Augen.
    »Ihre Frau befindet sich im Kühlraum«, sagte sie ohne Umschweife. »Es ist nicht üblich, aber wenn sie möchten, können Sie sie sehen.«
    »Ich möchte zu ihr«, sagte Joentaa.
    Die Schwester sah ihn durchdringend an, dann signalisierte sie ihm mit einem Nicken, ihr zu folgen. Sie fuhren mit dem Aufzug in den Keller. Joentaa starrte an die Wand, während sie nach unten fuhren. Die Schwester ging mit kantigen Schritten voran. Der Raum, in den sie ihn führte, war kleiner, als er erwartet hatte.
    Sanna lag auf einer Bahre an einer Seitenwand, ihr Körper war mit einem blassen grünen Tuch abgedeckt worden. Die Schwester trat an die Bahre heran und sah ihn kurz an, bevor sie das Tuch anhob.
    Er hielt dem Anblick nur einen Moment stand. Sannas Gesicht erschien ihm verfärbt und geschwollen. Es war nicht ihr Gesicht, aber er erkannte sie.
    Er wandte sich instinktiv ab und hörte sich schreien. Er spürte, dass er zu Boden sank, und sah in einem Winkel seines Blickfeldes die Schwester zusammenzucken und auf ihn zustürzen. »Es geht schon«, sagte er, während sie versuchte, ihn aufzurichten. Er riss sich los und ging wankend Richtung Tür. Er schüttelte die Schwester ab und lief schnell durch das Treppenhaus nach oben. Die Schwester rief ihm etwas nach, aber er wollte nichts hören.
    Als er im Freien stand, atmete er durch. Er schwitzte. Zwei junge Frauen, die auf einer Bank auf dem großen Vorplatz saßen, sahen ihn verstohlen an und kicherten.
    Während er nach Hause fuhr, versuchte er, sich klarzumachen, dass Sanna tot war und dass diese Tatsache von nun an sein Leben bestimmen würde.
    Pasi und Liisa Laaksonen winkten ihm von Weitem zu, als er aus dem Wagen stieg. Er tat so, als sehe er sie nicht, und beeilte sich, ins Haus zu kommen. Er lehnte sich gegen die Tür, schloss die Augen und versuchte, nichts zu denken und nichts zu fühlen.
    Er zuckte zusammen, als es an der Tür klingelte. Durch das Küchenfenster sah er Pasi und Liisa Laaksonen auf dem Treppenabsatz stehen, Liisa schwenkte erwartungsfroh ihren Holzkorb.
    Er ging zur Tür und öffnete. »Überraschung«, rief Liisa und präsentierte den Korb mit den toten Fischen.
    »Sie haben sehr gut angebissen heute«, sagte Pasi Laaksonen, und Joentaa sah den Stolz in seinen Augen. »Wir dachten, wir bringen mal wieder was vorbei … Ihre Frau freut sich doch immer …«
    »Vielen Dank«, sagte Joentaa. Pasi reichte ihm eine sorgfältig gefaltete Folie, in der zwei Forellen lagen.
    »Sanna … ist gestern Nacht gestorben«, sagte Joentaa.
    Die beiden starrten ihn an. Er glaubte zu sehen, wie die Nachricht langsam in ihr Bewusstsein eindrang. Sie schwiegen lange.
    »Kimmo, das ist … schrecklich«, sagte Liisa Laaksonen schließlich, Pasi nickte mit offenem Mund.
    Joentaa hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber er wusste nicht, was. Er wandte sich ab. »Bis bald«, sagte er, bevor er die Tür schloss.

4
    Am späten Nachmittag fuhr Joentaa nach Lenganiemi.
    Die Schwester aus dem Krankenhaus hatte angerufen und ihn daran erinnert, dass er die Beerdigung in die Wege leiten müsse. Als er ihre tiefe, starre Stimme hörte, sah er unwillkürlich die Bahre, auf der Sanna gelegen hatte, und ihr bläulich gefärbtes Gesicht. »Wenn Sie möchten, können wir ein Bestattungsinstitut beauftragen«, sagte die Schwester.
    Joentaa entgegnete hastig, er werde alles selbst regeln. Er bedankte sich für den Anruf und beendete das Gespräch.
    Ein Bestattungsinstitut … er hatte nicht daran gedacht, obwohl alles vorbereitet war. Sanna hatte ihre Beerdigung geplant, als er noch nicht fähig gewesen war, an ihren Tod zu denken.
    Vor einigen Monaten, an einem kühlen Tag im Frühjahr, hatte sie begonnen, davon zu erzählen. Sie hatte am Steg gesessen, ihre Füße im Wasser baumeln lassen und gesagt, dass sie auf Lenganiemi begraben werden wolle, auf dem kleinen Friedhof am Meer, neben der roten Holzkirche. Sie habe die Stelle genau vor Augen, sie habe sie sich eingeprägt.
    Er hatte zunächst nicht begriffen. Sie waren nur einmal gemeinsam auf der Halbinsel am Rand von Turku gewesen, und das war Jahre her. »Ich habe mir die Stelle ausgesucht, als ich noch gesund war«, hatte
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