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Eisiges Feuer (German Edition)

Eisiges Feuer (German Edition)

Titel: Eisiges Feuer (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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anziehen konnten. Lys eher kurze Haare trockneten zum Glück ebenfalls rasch, im Gegensatz zu Kirians schwarzen Flechten, doch er hoffte, dass Roban auf dieses Detail nicht achten würde, wenn sie ihn aus seinem Verlies befreiten.
    „Dein Bruder wird inzwischen vollkommen außer sich sein. Deine Schreie dürfte man noch auf Schloss Corlin gehört haben.“ Lys errötete verlegen.
    „Selbst wenn er nichts gehört hat, dürfte er halb wahnsinnig sein. Seit dem Tod unserer Mutter fühlt er sich für jeden Kratzer verantwortlich, der mir widerfährt.“ Wieder biss er sich auf die Lippen und erzählte nicht weiter.
    Kirian drängte ihn nicht, schüttelte nur ungläubig den Kopf. Er verabscheute Roban, doch er hatte ihn anders in Erinnerung, als jemand, der zwar nach Verantwortung suchte, aber auch darauf vertraute, dass seine Leute selbstständig überleben konnten, selbst, wenn er nicht bei ihnen war. „Wie bist du geistig gesund geblieben bei einem Vater, der aus dir einen stahlharten Krieger und Fürsten formen will und einem Bruder, der dich am liebsten in einen Turm sperren würde, auf dass kein bösartiger Windhauch dich mehr treffen kann?“, fragte er, während sie sich widerstrebend auf den Rückweg machten. Er beschloss, Lys nicht die Sicht zu nehmen, obwohl er damit eines seiner eigenen Gesetze brach.
    „Ganz einfach, ich habe aufgehört es zu versuchen. Wahnsinn kann ungemein entspannend sein, wenn man weiß, dass man sowieso versagen wird, egal was man tut.“ Sie lachten gemeinsam, dann schwiegen sie, bis sie das Lager erreicht hatten.
    Lys hielt den Kopf tief gesenkt, um seine Reaktionen auf den gutmütigen Spott der Räuber nicht sichtbar werden zu lassen. Kirian bemerkte, dass der junge Mann sich jetzt zwei Schritt hinter ihm hielt statt wie im Wald selbstbewusst an seiner Seite zu laufen, und sich wesentlich verhaltener bewegte – wie ein Sklave, dem man genug vertraute, um ihn nicht an die Kette legen zu müssen. Oder eben wie das demütige Spielzeug eines Sheruks …
    Die Götter mögen deine Feinde bewahren, Lys, kein einziger wird dich als die Gefahr erkennen, die du wirklich bist, dachte er amüsiert.
    „Ich habe eine Idee, wie du vor Roban verheimlichen kannst, dass du, hm, mit dem Feind kollaboriert hast“, sagte Kirian augenzwinkernd, als sie zurück in seiner Hütte waren, griff dabei nach einer Phiole mit farbloser Flüssigkeit. „Hier drin ist verdünnter Saft von der Tollkirsche. Halt mal still!“ Bevor Lys auch nur vor ihm zurückschrecken konnte, hatte Kirian je einen Tropfen in beiden Augen verteilt. „So, dauert nicht lange, dann werden deine Pupillen riesig sein. Du verstehst?“
    „Vollkommen. Wozu brauchst du so etwas?“ Lys wies zu dem Kästchen, aus dem die Phiole stammte. Dutzende weitere befanden sich darin, alle durch Form oder Größe deutlich zu unterscheiden.
    „Wir lauern nicht immer nur wie hungrige Wölfe im Gebüsch und stürzen uns auf wehrlose Reisende. Manchmal treiben wir in den Städten der Umgebung ein paar lustige Spiele, für die Verkleidungen, aber auch Gifte aller Art notwendig sind. Glaub mir, du willst keine Details hören“, erwiderte Kirian und verschloss das Kästchen sorgfältig. Er lachte über den stummen Vorwurf, der deutlich aus dem Blick des jungen Fürsten sprach. „Ich bin, was man mich zwingt zu sein. Sollen wir?“ Lys nickte ihm zu, ließ sich ein letztes Mal küssen, teilte die innige Leidenschaft und Trauer. Welch ein Wahnsinn auch immer über sie gekommen war, der sie in so kurzer Zeit überwältigt hatte, sie wussten beide, es war vorbei. Es musste enden, hier und jetzt. „Ich werde dich vermissen“, flüsterte Kirian, dann führte er ihn zurück ins Freie.
     

Roban hatte in einer Erdgrube ausharren müssen, die durch ein Fallgitter gesichert war. In diesem Gefängnis war ihm gerade genug Platz geblieben, einen Schritt in jede Richtung zu laufen. Flucht war aussichtslos, das Gitter befand sich mehr als zwei Schritt über seinem Kopf. So konnte er wirklich nur warten und den fernen Schreien seines Bruders lauschen.
    Als sie ihn schließlich holten, musste er an einem Seil hochklettern, wurde danach von vier Räubern zugleich gesichert.
    „Was ist mit meinem Bruder? Ist er tot? Redet schon!“, rief er verzweifelt, doch sie grinsten nur und trieben ihn nach draußen. Dort sah er Lys, der vom Sheruk persönlich bewacht wurde. Roban kämpfte gegen die Männer, riss sich los und stürzte sich schreiend auf Lys, der blass und
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