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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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Dad immer der Bedächtige, der Nachdenkliche war, der sie erst richtig zum Strahlen brachte. Wenn wir Besuch hatten, saß Dad meistens still daneben und genoss es ebenso wie die Gäste, wenn Mum ihre Geschichten und Anekdoten erzählte. Wenn man Dad nicht gut kannte, konnte man ihn vielleicht für ein wenig reserviert oder vielleicht sogar für arrogant halten – wie das ja häufig passiert bei Menschen, die einfach lieber still sind, als die ganze Zeit zu reden. Und in einer Familie mit drei Frauen wird sehr viel geredet, das könnt ihr mir glauben.
    Ich weiß noch genau, wie Dad, als er krank wurde und ganztags gepflegt werden musste, oft Mums Hand hielt und ihr sagte, dass es die beste Entscheidung in seinem ganzen Leben war, sie zu heiraten. Dieser verdammte Kehlkopfkrebs. Wie kann ein Mann, der sein Leben lang keine Zigarette angerührt hat, Kehlkopfkrebs kriegen? Noch schlimmer war, dass er es mit so viel Würde und Humor ertrug. Ich war diejenige, die wütend wurde, so wütend, dass ich sogar eine Weile rauchte, nur um Gott zu ärgern.
    Nach seinem Tod war Mum am Boden zerstört. Dad hatte ihr alles abgenommen: Sie musste nicht selbst Auto fahren, keine Rechnungen überweisen, nicht mit der Bank verhandeln, keine Zündkerzen wechseln, keinen Pass beantragen. In den Jahren nach seinem Tod musste sie all diese praktischen Dinge nach und nach lernen, und mit Kates und meiner tatkräftigen Unterstützung ist sie eine unabhängige Frau geworden, mit ihrem eigenen kleinen Freundeskreis, der zum großen Teil aus ebenfalls verwitweten Frauen besteht. »Die Lustigen Witwen« nennt sich die Gruppe, und sie unternehmen alles Mögliche zusammen: Wochenendtrips nach London zum Shoppen, im Sommer eine Pilgerfahrt, nach Lourdes oder nach Knock oder irgendwohin, wo die Heilige Jungfrau schon mal aufgetaucht ist. Mum geht ins Theater und in die Messe, und sie trifft sich regelmäßig mit ihren Freundinnen zu einem kleinen Sherry und langen Schwätzchen, immer abwechselnd reihum bei einer der Beteiligten.
    Aber ich weiß, dass kein Tag vergeht, an dem sie Dad nicht vermisst, für ihn betet und sich nach ihm sehnt.
    »Es könnte noch eine ganze Weile dauern, bis sie bereit ist rüberzukommen«, sagt Dad leise. »Sie beeilt sich nicht gerade mit ihrer Liste, oder?«
    Auch darüber weiß er also Bescheid. Mums Liste besteht aus all den Dingen, die sie noch tun möchte, ehe sie sich auf den Weg macht, um sich Dad hier im Jenseits anzuschließen. Und sie hat noch viel vor, hier zwischendurch ein kleiner Ausschnitt ihrer Vorhaben:
    George Clooney die Hand schütteln.
Die Chinesische Mauer entlanglaufen (Anmerkung: Vorher bequeme Schuhe kaufen!)
Kreuzworträtsel ohne Spicken fertigkriegen und lernen, wie man mit Sky Plus umgeht.
George Clooney sagen, dass ich eine ledige Tochter habe (siehe Punkt 1 )
Mich auf diesem Tauch-Ding zum Wrack der
Titanic
bringen lassen, aber vorher rausfinden, ob es eine Toilette gibt, denn es dauert angeblich drei Stunden, da hinzukommen, also ungefähr so lange wie von Dublin nach Galway, und ich weiß aus Erfahrung, dass ich es so lange nie ohne Klo aushalte.
    »Aber am meisten Sorgen habe ich mir deinetwegen gemacht, Charlotte. Vor allem in letzter Zeit«, fährt Dad fort.
    »Du meinst wegen dem Unfall und weil ich im Krankenhaus war und so …«
    »Nein, schon lange davor«, erwidert er und mustert mich durchdringend. »Weißt du, ich glaube, du warst schon lange nicht mehr glücklich mit deinem Leben. Stimmt das, Mäuschen? Sei ehrlich.«
    Es ist genau so, wie wenn man im Radio den richtigen Sender findet, und plötzlich stimmt alles. Als würde ich aus mir heraustreten und in der dritten Person eine Bilanzprüfung meines achtundzwanzigjährigen Lebens machen. Plötzlich erinnere ich mich daran, wie es war, achtzehn zu sein und Träume zu haben. Zuerst waren meine ziemlich vage: Ich wusste zwar, dass ich im kreativen Bereich arbeiten wollte, aber ich war nicht sicher, wo genau. Als Nächstes bekam ich dann den Job in Annas Agentur, ursprünglich nur für ein paar Wochen, aber dann blieb ich sechs Jahre. Und es gefiel mir. Eine Weile spielte ich sogar mit der Idee, eine eigene Agentur aufzumachen. Vielleicht als Produzentin.
    Dann brach James Kane wie ein Wirbelsturm in die stillen Wasser meines Lebens ein, und damit hatte es sich dann mehr oder weniger ausgeträumt. Mir stehen alle feministischen Haare zu Berge, wenn ich mir vor Augen führe, dass dieser Mann es irgendwie geschafft hat, sich zur
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