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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sofort darüber nachdenken, daß Sie die Tat des Barrabas getan haben? Stellen Sie sich vor, Sie brächten in einem furchtbaren Wutanfall ein Kind um. Würden Sie danach durch die Geschichte zurückgehen, bis Sie Ihre Tat mit der eines idumäischen Herrschers namens Herodes identifizieren könnten? Glauben Sie mir, unsere eigenen Verbrechen sind viel zu häßlich, privat und prosaisch, als daß wir unsere ersten Gedanken auf historische Parallelen richteten, wie zutreffend auch immer. Und warum ist er so weit gegangen zu sagen, er werde seine Mittäter nicht preisgeben? Indem er das sagte, gab er sie doch preis. Bis dahin hatte niemand von ihm verlangt, irgend etwas oder irgend jemanden preiszugeben. Nein, ich glaube nicht, daß er ehrlich war, und ich würde ihm nicht die Absolution erteilen. Ein schöner Zustand, wenn die Leute die Absolution für Dinge bekämen, die sie nicht begangen haben.« Und Father Brown blickte mit abgewandtem Kopf stetig aufs Meer hinaus.
    »Aber ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, rief Byrne. »Warum ihn mit Verdächtigungen überhäufen, wenn er schon freigesprochen ist? Er ist da raus. Er ist auf jeden Fall in Sicherheit.«
    Father Brown wirbelte herum wie ein Kreisel und ergriff seinen Freund mit unerwarteter und unerklärlicher Erregung beim Mantel.
    »Das ist es«, rief er nachdrücklich. »Halten Sie das fest! Er ist in Sicherheit. Er ist da raus. Deshalb ist er der Schlüssel zu dem ganzen Rätsel.«
    »O Hilfe«, sagte Byrne schwach.
    »Ich meine«, beharrte der kleine Priester, »daß er drin ist, weil er raus ist. Das ist die ganze Erklärung.«
    »Und auch noch eine sehr einleuchtende«, sagte der Journalist mit Gefühl.
    Sie standen da und schauten eine Weile schweigend auf die See hinaus, und dann sagte Father Brown fröhlich:
    »Und damit kommen wir zurück zum Eisschrank. Wo ihr euch in diesem Fall von Anfang an geirrt habt, ist, wo so viele Zeitungen und Politiker sich irren. Weil ihr annehmt, daß es in der modernen Welt nichts anderes als den Bolschewismus zu bekämpfen gäbe. Diese Geschichte hat nichts mit Bolschewismus zu tun; oder nur als Irreführung.«
    »Ich verstehe nicht, wie das gehen sollte«, protestierte Byrne. »Hier haben Sie drei Millionäre, die in diesem einen Fall ermordet wurden – «
    »Nein!« sagte der Priester mit scharfer klingender Stimme. »Haben Sie nicht. Das ist es ja gerade. Sie haben nicht drei ermordete Millionäre. Sie haben zwei ermordete Millionäre; und Sie haben den dritten Millionär putzmunter um sich schlagend und bereit, weiter um sich zu schlagen. Und Sie haben diesen dritten Millionär, für immer befreit von der Drohung, die ihm vor Ihren eigenen Augen an den Kopf geworfen wurde, in spielerisch höflichen Formulierungen während jenes Gesprächs, das nach Ihrem Bericht im Hotel stattgefunden hat. Gallup und Stein drohten dem altmodischeren und unabhängigen alten Schurken, sie würden ihn auf Eis legen, wenn er sich ihrem Verbund nicht anschlösse. Daher natürlich der Eisschrank.«
    Nach einer Pause fuhr er fort. »Natürlich gibt es eine bolschewistische Bewegung in der modernen Welt, und ihr muß zweifellos widerstanden werden, obwohl ich nicht so recht an Ihren Weg des Widerstandes glaube. Was aber niemand zu bemerken scheint, ist, daß es noch eine andere Bewegung gibt, die ebenso modern und ebenso bewegend ist: die große Bewegung hin zu Monopolen oder die Umwandlung aller Betriebe in Konzerne. Auch das ist eine Revolution. Auch das bringt hervor, was alle Revolutionen hervorbringen. Menschen töten dafür und dagegen, wie sie es für und gegen den Bolschewismus tun. Sie hat ihre Ultimaten und ihre Invasionen und ihre Exekutionen. Diese Konzernmagnaten halten hof wie die Könige; sie haben ihre Leibwächter und ihre Meuchelmörder; sie haben ihre Spione im Lager des Gegners. Horne war einer der Spione des alten Gideon in einem der Lager des Gegners. Hier aber wurde er gegen einen anderen Gegner eingesetzt: die Rivalen, die ihn ruinierten, weil er nicht mitmachte.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, wie er eingesetzt wurde«, sagte Byrne, »oder wozu.«
    »Aber begreifen Sie denn nicht«, rief Father Brown scharf, »daß sie sich gegenseitig ein Alibi verschafften?«
    Byrne sah ihn immer noch etwas zweifelnd an, obwohl Verständnis auf seinem Gesicht aufdämmerte.
    »Das meinte ich«, fuhr der andere fort, »als ich sagte, sie seien drin, weil sie raus seien. Die meisten Leute würden sagen, daß sie aus den
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