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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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bevor der Leichnam gefunden wurde. Was haben Sie im Garten getan?«
    Der Major warf sich unbekümmert auf einen Stuhl. »Oh«, rief er in reinem Irisch, »den Mond bewundern. Mit der Natur reden, mein Junge.«
    Ein schweres Schweigen sank hernieder und hielt an, und an seinem Ende kam wieder jenes banale und schreckliche Klopfen. Iwan erschien aufs neue und trug eine leere Stahlscheide. »Das ist alles, was ich finden kann«, sagte er.
    »Leg es auf den Tisch«, sagte Valentin ohne aufzublicken.
    Ein unmenschliches Schweigen war im Raum, wie jener Ozean unmenschlichen Schweigens um die Bank des verurteilten Mörders. Die schwachen Ausrufe der Herzogin waren seit langem erstorben. Lord Galloways aufgeblähter Haß war befriedigt und sogar ernüchtert. Die Stimme, die erklang, erklang völlig unerwartet.
    »Ich glaube, ich kann es Ihnen sagen«, rief Lady Margaret mit jener klaren zitternden Stimme, mit der eine tapfere Frau in der Öffentlichkeit redet. »Ich kann Ihnen sagen, was Mr. O’Brien im Garten tat, denn er ist verpflichtet zu schweigen. Er bat mich, ihn zu heiraten. Ich wies das zurück; ich sagte ihm, daß ich ihm angesichts der Umstände meiner Familie lediglich meine Hochachtung gewähren könne. Er war darüber etwas ärgerlich; er schien nicht viel von meiner Hochachtung zu halten. Ich frage mich«, fügte sie mit eher mattem Lächeln hinzu, »ob sie ihm jetzt überhaupt noch etwas bedeutet. Denn ich biete sie ihm erneut an. Ich werde überall beschwören, daß er so etwas niemals getan hat.«
    Lord Galloway hatte sich an seine Tochter herangedrängt und versuchte sie einzuschüchtern mit einer Stimme, die er für leise hielt. »Halt den Mund, Maggie«, sagte er in donnerndem Flüstern. »Warum willst du diesen Kerl denn in Schutz nehmen? Wo ist sein Säbel? Wo ist sein verdammter Kavallerie…«
    Er hielt angesichts des sonderbaren Blickes inne, mit dem ihn seine Tochter ansah, ein Blick, der wie ein düsterer Magnet auf die ganze Gruppe wirkte.
    »Du alter Narr!« sagte sie mit leiser Stimme, ohne irgendwelchen Respekt vorzutäuschen; »was glaubst du, versuchst du zu beweisen? Ich sage dir, daß dieser Mann unschuldig war, während er mit mir zusammen war. Und wenn er nicht unschuldig war, dann war er immer noch mit mir zusammen. Wenn er wirklich einen Mann im Garten ermordet hat, wer muß das dann gesehen –, wer muß wenigstens davon gewußt haben? Haßt du Neil so sehr, daß du deine eigene Tochter…«
    Lady Galloway schrie auf. Alle anderen saßen da, von einem Schaudern überrieselt ob der Berührung mit einer jener satanischen Tragödien, wie es sie seit jeher zwischen Liebenden gibt. Sie sahen das stolze weiße Gesicht der schottischen Aristokratin und ihren Liebhaber, den irischen Abenteurer, wie alte Portraits in einem dunklen Haus. Das lange Schweigen war voller ungeformter historischer Erinnerungen an ermordete Gatten und giftmischerische Geliebte.
    Aus der Mitte dieses morbiden Schweigens heraus fragte eine unschuldige Stimme: »War es eine sehr lange Zigarre ?«
    Der Gedankensprung war so ungeheuer, daß alle sich umsehen mußten, wer da gesprochen habe.
    »Ich meine«, sagte der kleine Father Brown aus der Ecke des Raumes, »ich meine jene Zigarre, die Mr. Brayne raucht. Mir scheint sie fast so lang wie ein Spazierstock zu sein.«
    Trotz der Zusammenhanglosigkeit war da Zustimmung wie Gereiztheit in Valentins Gesicht, als er den Kopf hob.
    »Richtig«, sagte er scharf. »Iwan, geh und sieh noch einmal nach Mr. Brayne, und bring ihn sofort her.«
    Im gleichen Augenblick, in dem das Faktotum die Tür geschlossen hatte, sprach Valentin das Mädchen mit ganz neuer Ernsthaftigkeit an.
    »Lady Margaret«, sagte er, »wir alle empfinden sicherlich sowohl Dankbarkeit wie auch Bewunderung für die Art, in der Sie sich über Ihren Rang erhoben und das Verhalten des Majors erklärt haben. Aber da bleibt noch immer eine Lücke. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Lord Galloway Sie auf dem Weg vom Arbeitszimmer zum Salon getroffen, und nur wenige Minuten danach war er im Garten und sah den Major dort immer noch herumgehen.«
    »Sie werden sich daran erinnern«, sagte Margaret mit leiser Ironie in der Stimme, »daß ich ihm gerade einen Korb gegeben hatte, so daß wir kaum Arm in Arm hätten zusammen zurückkommen können. Doch er ist eben ein Gentleman; und so blieb er zurück – und geriet unter Mordverdacht.«
    »In diesen wenigen Augenblicken«, sagte Valentin feierlich, »hätte er
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