Eines Greifen Ei

Fingerknöcheln über die Karten in seiner Hand. »Ich räume gern meinen Platz im Spiel.«
    »Ich stehe unter Psilly«, sagte sie.
    »Psilocybin?« fragte Gunther. »Ich hätte vielleicht Interesse an einem bißchen davon. Haben Sie es angepflanzt oder in Mikrokulturen fabriziert? Ich habe ein paar Kulturen in meinem Zimmer; vielleicht könnte ich mich von einer trennen, wenn Sie bereit wären, eine Lizenz auf die Software zu vergeben?«
    Sally Chang schüttelte den Kopf und lachte hilflos. Tränen rannen ihr über die Wangen.
    »Na gut, wenn Sie wieder nüchtern sind, können wir darüber reden.« Gunther betrachtete seine Karten. »Das wäre eine großartige Hand für Schach.«
    »Niemand spielt Schach«, sagte Hiro verächtlich. »Das ist ein Spiel für Computer.«
    Gunther kassierte den Topf mit zwei Paaren. Er mischte, Krishna hob ab, und er begann, die Karten auszuteilen. »Also gut, diese verrückte russische Dame ...«
    Aus heiterem Himmel fing Chang an zu johlen. Ausbrüche wilden Gelächters warfen sie auf die Hacken zurück, dann warf sie sich wieder nach vorn. Das Entzücken über eine Entdeckung glitzerte in ihren Augen, und sie deutete mit einem starr ausgestreckten Finger auf Gunther. »Du bist ein Roboter!« schrie sie.
    »Wie bitte?«
    »Du bist nichts anderes als ein Roboter«, wiederholte sie. »Du bist eine Maschine, ein Automat. Sieh dich doch nur mal an! Nichts weiter als Reaktionen auf Stimuli. Du hast überhaupt keinen eigenen Willen. Nicht die Spur davon. Du könntest keine selbständige Handlung durchführen, um dein Leben zu retten.«
    »Ach ja?« Gunther blickte sich um und suchte nach einer Eingebung. Ein kleiner Junge - vielleicht Pyotr Nahfees, obwohl es von hier aus schwer zu sagen war -stand am Ufer des Wassers und fütterte die Karpfen mit Krabbenabfällen. »Angenommen, ich würde dich ins Wasser stoßen. Das wäre doch eine selbständige Handlung, oder nicht?«
    Lachend schüttelte sie den Kopf. »Typisches Primaten-Verhalten. Eine wahrgenommene Bedrohung wird mit der Zurschaustellung von höhnischer Aggression erwidert.«
    Gunther lachte.
    »Anschließend, wenn er damit nichts erreicht, macht der Primat einen Rückzieher und geht zur Darstellung von Unterwerfung über. Beschwichtigung. Der Affe demonstriert seine Harmlosigkeit - verstehst du?«
    »Hör mal, das ist nun wirklich nicht mehr komisch«, sagte Gunther in warnendem Tonfall. »Genaugenommen ist es ziemlich beleidigend.«
    »Und darin nimmt er die Zurschaustellung von Angriffslust wieder auf.«
    Gunther seufzte und warf beide Hände hoch. »Wie soll ich denn reagieren? Deiner Einschätzung nach ist alles, was ich sage oder tue, auf jeden Fall falsch.«
    »Und wieder Unterwerfung. Vor und zurück, vor und zurück, Aggression und Unterwerfung und das gleiche noch mal von vorn.« Sie vollführte mit dem Arm eine pumpende Bewegung, als wäre er eine Pleuelstange. »Wie eine kleine Maschine - verstehst du? Das Ganze ist ein automatisches Verhalten.«
    »He, Kreesh - du bist doch hier der Neurobiosoundso, stimmt's? Leg doch mal bitte ein gutes Wort für mich ein. Befreie mich aus dieser Unterhaltung.«
    Krishna wurde rot. Er wich Gunthers Blick aus.
    »Miss Chang ist im Zentrum sehr hoch angesehen, mußt du wissen. Alles, was sie übers Denken denkt, ist des Nachdenkens wert.« Die Frau beobachtete ihn begierig, mit glitzernden Augen, kleinen Pupillen. »Ich könnte mir vorstellen, was sie meint, ist folgendes: daß wir nämlich im wesentlichen alle irgendwie durchs Leben schippern. Als ob wir von einem Autopiloten gesteuert wären. Nicht nur du im besonderen, sondern wir alle.« Er warf ihr einen flehentlichen Blick zu. »Habe ich recht?«
    »Nein, nein, nein, nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Er im besonderen.«
    »Ich gebe auf.« Gunther legte die Karten aus der Hand und legte sich auf der Steinplatte zurück, um durch das Glasdach zur verblassenden Erde hinaufzublicken. Als er die Augen schloß, konnte er den aufsteigenden Springer der Ismailowa sehen. Es war eine dürftige Apparatur, kaum mehr als ein Stuhl auf einer Plattform über einem Bündel von vier Flaschen mit Abfall-Treibgas und einem Satz eleganter Beine. Er sah, wie er abhob, als die Explosion erblühte, und anscheinend für kurze Zeit hoch über dem Krater schwebte, wie ein Adler über einer Thermik. Die Hände an die Seiten gelegt, saß die Gestalt in dem roten Anzug da und beobachtete den Vorgang mit einer Ruhe, die unmenschlich wirkte. Im reflektierten