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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei
Autoren: Michael Swanwick
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Kraft zu. Siegfried straffte sich.
    »Die Straße rauf, dann rein und runter.«
    Der Reaktor war nicht mehr zu erkennen, geschmolzen, verdreht und zusammengefaltet, ein Haufen Schlacke mit verbogenen Röhren, die aus den Rändern herausragten. Gleich zu Anfang des Vorfalls hatte es eine Explosion im Kühlsystem gegeben, und eine Wand des Kraters glitzerte von zerstäubtem Metall. »Wo ist das radioaktive Material?« fragte Sakai. Obwohl er eine Drittelmillion Kilometer weit entfernt war, hörte er sich gespannt und aufmerksam an.
    »Alles ist radioaktiv«, antwortete die Ismailowa.
    Sie warteten. »Ich meine ... Sie wissen schon. Die Brennstäbe?«
    »In diesem Moment befinden sich Ihre Brennstäbe wahrscheinlich dreihundert Meter in der Tiefe und sind immer noch in Betrieb. Wir sprechen von spaltbarem Material, das eine kritische Masse erreicht hat. In einem sehr frühen Stadium des Prozesses werden die Brennstäbe zusammengeschmolzen sein zu einer Art superheißer Pfütze, die fähig ist, sich durch Felsgestein hindurchzubrennen. Stellen Sie es sich als einen dichten, schweren Wachsklumpen vor, der sich langsam einen Weg zum Mondkern bahnt.«
    »Mein Gott, ich liebe die Physik«, sagte Gunther.
    Der Helm der Ismailowa drehte sich zu ihm um, plötzlich ausdruckslos. Nach einer langen Pause schaltete er sich wieder ein und wandte sich ab. »Wenigstens ist die Straße nach unten sauber. Führen Sie Ihr Aggregat ganz bis zum Ende. Dort geht zur einen Seite ein Erkundungsschacht ab. Aus alten Zeiten. Ich möchte wissen, ob er noch offen ist.«
    »Wird das eine Gerät ausreichen?« fragte Sakai. »Um den Krater zu reinigen, meine ich.«
    Die Aufmerksamkeit der Frau war darauf konzentriert, wie Siegfried vorankam. Zerstreut entgegnete sie: »Mr. Sakai, es würde ausreichen, eine Kette vor die Zugangsstraße zu spannen, um dieses ganze Gelände zu reinigen. Die Kraterwände würden jeden, der in der Nähe arbeitet, gegen die Gamma-Strahlen abschirmen, und es würde keinerlei Mühe bereiten, die Wegführung von Springern so umzuleiten, daß die Passagiere ihnen nicht ausgesetzt sind. Die größte biologische Gefahr beim Schmelzen eines Reaktors kommt von der Alpha-Strahlung, die von Teilchen-Radioisotopen in der Luft oder im Wasser stammt. Wenn sie im Körper konzentriert sind, können Aussender von Alpha-Strahlen beträchtlichen Schaden anrichten; anderswo nicht. Alpha-Teilchen können mit einem Blatt Papier aufgehalten werden. Solang man einen Reaktor aus dem Ökosystem fernhält, ist er so sicher wie jede andere größere Maschine. Einen zerstörten Reaktor zu begraben, nur weil er radioaktiv ist, ist unnötig und, wenn Sie mir diesen Ausdruck verzeihen, abergläubisch. Aber ich bin nicht für Politik zuständig. Ich jage das Zeug nur in die Luft.«
    »Ist das der Schacht, um den es Ihnen geht?« fragte Gunther.
    »Ja. Gehen Sie bis zum Ende durch. Es ist nicht weit.«
    Gunther schaltete Siegfrieds Brustlampe an und ließ ein Rollrelais hinunter, damit sich das Kabel nicht verhedderte. Sie stiegen hinunter. Endlich sagte die Ismailowa: »Halt! Das ist weit genug.« Er setzte das Gerät sanft ab und. schlug nach ihrer Anweisung mit einem Ruck den Armierungsknebel herum. »So, das hätten wir«, sagte sie. »Bringen Sie Ihr Aggregat zurück. Ich habe Ihnen eine Stunde eingeräumt, um eine gewisse Entfernung zwischen sich und den Krater zu bringen.« Gunther bemerkte, daß sich die Ferngesteuerten bereits in Gang gesetzt hatten und sich entfernten.
    »Ähm ... ich muß noch Brennstäbe laden.«
    »Nein, heute nicht. Der neue Reaktor ist wieder zerlegt und aus der Explosionszone gebracht worden.«
    Gunter dachte jetzt an all die Gerätschaften, die abmontiert und aus dem Industriegelände entfernt worden waren, und zum erstenmal kam ihm die außerordentliche Dimension des Unternehmens zu Bewußtsein. Üblicherweise wurden nur die empfindlichsten Apparaturen aus einem explosionsgefährdeten Gebiet weggeschafft. »Moment mal! Was für einen gewaltigen Sprengstoff planen Sie eigentlich einzusetzen?«
    Die Miene der Ismailowa drückte so etwas wie selbstbewußte Arroganz aus. »Keinen, mit dem ich nicht umzugehen wüßte. Hier handelt es sich um ein Gerät der Diplomatenklasse, von der gleichen Bauart, wie ich vor fünf Jahren eins in Aktion gesehen habe. Annähernd einhundert individuelle Anwendungen, ohne ein einziges mechanisches Versagen. Das macht es zur zuverlässigsten Waffe in der Geschichte der Kriegsführung. Sie
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