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Eine Witwe ohne Tränen

Eine Witwe ohne Tränen

Titel: Eine Witwe ohne Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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verblüfft dreinsehen? Dann wandte ich mich ab
und wartete, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und meine
Nase aufgehört hatte, ob der schwer mit Zigarrenrauch durchsetzten Atmosphäre
zu zucken. Ich sah die beiden Silhouetten nebeneinandersitzen, ging auf sie zu
und ließ mich neben Manny nieder. Seine Brillengläser blitzten, als er sich mir
zuwandte und sich das Licht von der Leinwand in ihnen reflektierte.
    »Noch
etwa fünf Minuten, Rick«, flüsterte er.
    Ich
nickte und konzentrierte mich auf den Filmausschnitt, der vor uns ablief. Nach
der Länge des Kleides der hitzigen Blondine zu urteilen, handelte es sich um
einen Film des Jahrgangs 1950, und ich fragte mich müßig, was wohl aus Amanda
Evans geworden war. Nicht daß sie für das, was sich auf der Leinwand abspielte,
irgendwie wichtig war, sie war lediglich Teil der Szenerie. Alles war auf Lloyd
Carlyle konzentriert. Er mußte damals um Vierzig herum gewesen sein und sah aus
wie ein vitaler Zweiunddreißiger: Das dichte lockige Haar war noch pechschwarz,
und von Säcken unter den Augen oder einem schlaff werdenden Kinn war nichts zu
sehen.
    Er
spielte die Rolle eines Kriegshelden, der ein blondes Luder während eines
hektischen achtundvierzigstündigen Urlaubs kennengelernt und geheiratet hatte
und nun nach Ende des Kriegs an dieser Ehe hängenblieb. Wegen ihr hatte er so
ziemlich alles verloren, was jemals für ihn wichtig war: seine Karriere, seinen
besten Freund und nun auch das Mädchen, das — zu spät wurde ihm das klar — die
einzige wirkliche Liebe seines Lebens gewesen war. Und nun, an diesem Höhepunkt
des Films, begann sich sein Geist zu verwirren. So wie Carlyle das spielte,
rutschte man vor Erregung und Einfühlung in die gemeinsamen Hoffnungen und
Befürchtungen aller Männer auf den Rand des Sitzes vor, und das Herz blutete
einem ein wenig, weil man wußte, daß er den Kampf verloren hatte. In der
letzten Minute dieses Filmausschnitts erdrosselte er seine Frau, und die Kamera
brachte die ganze Zeit über in Großaufnahme sein Gesicht. Dann wurde die
Leinwand leer und gleich darauf dunkel, bis die Lichter im Raum aufleuchteten.
    Rather
seufzte leise. »So was wie ihn werden wir nicht mehr sehen.«
    »Was
für eine Begabung!« Manny schluckte geräuschvoll. »Er hat es geschafft, daß
sogar diese dumme Evans gut aussah.«
    »Das
ist nicht Lloyds Verdienst.« Rather kicherte. »Das war das einzige, was sie
konnte: gut aussehen. Nachdem sie diese Szene gedreht hatten, war ihr Hals drei
Wochen lang grün und blau, wie ich mich erinnere. Lloyd mochte sie nie
besonders leiden. Das einzige Mal, als er mit ihr ins Bett ging, erzählte er,
sei er eingeschlafen, weil es ihn so verdammt langweilte, auf ihre Stimme zu
hören.«
    »Ich
erinnere mich ebenfalls.« Manny nickte eifrig. »Das war typisch für ihn, er
mußte immer mit seiner Partnerin schlafen. Das habe er sich am Broadway so
angewöhnt, sagte er, und das kalifornische Klima erleichtere das in Hollywood
so sehr.«
    »Wenn
Sie das Leben Lloyd Carlyles, erzählt von Manny Holt und Joe Rather,
durchgehechelt haben«, knurrte ich, »darf ich dann auch mal ein Wort sagen?«
    »Klar,
Rick!« Manny blickte mich entschuldigend an. »Wo drückt der Schuh?«
    »Niemand
will Geld«, sagte ich.
    Rathers kalte Augen starrten mich unter den
schweren Lidern hervor an. »Soll das heißen, daß die beiden — die Quentin und
Godfrey — kein Geld haben wollen?«
    »Das
ist nicht zu fassen!« Mannys übergroße Augen glotzten mich ungläubig an. »Was
wollen sie dann? Sie müssen doch etwas wollen!«
    »Ganz
recht.« Ich fletschte meine Zähne in seiner Richtung. »Da wird die Sache eben
interessant. Rita Quentin ist überzeugt, daß Carlyles Herz immer blutete, weil
er überzeugt war, daß er die Schuld am Selbstmord seiner dritten Frau trug. Sie
möchte nun, daß dieses Gespenst für seinen eigenen Geist gebannt würde. Sie
glaubt nicht, daß Gail sich umgebracht hat, sondern daß sie ermordet wurde. Der
Preis, der dafür zu zahlen ist, daß Rita den Mund über den verstorbenen und
betrauerten Lloyd Carlyle hält, ist der, daß ich endgültige Beweise dafür
erbringen soll, daß Gail entweder ermordet wurde oder sich selbst umgebracht
hat — und sie läßt mir dafür zwei Wochen Zeit.«
    »Sie
ist komplett übergeschnappt!« sagte Manny schwerfällig. »Für wen, zum Teufel,
hält sie sich eigentlich? Na, ich werde...« Er brach plötzlich auf Grund einer
Handbewegung Rathers

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