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Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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weiter. Ich war jedenfalls voll motiviert. Meine Angestellten wunderten sich zwar, dass der Chef plötzlich selber fegt, also eigentlich Lehrlingsarbeit macht, aber natürlich beschwerten sie sich nicht. Ich tat, als hätte ich auf einmal den Sauberkeitsfimmel, und dehnte das auch auf den Damensalon aus. Meine Frau hatte mich eine Weile im Verdacht, dass ich das nur täte, um das eine oder andere Auge in außereheliche Gefilde zu werfen, aber das konnte ich ihr zum Glück wieder ausreden. Und es brachte eine Verdoppelung meines Einzugsgebietes. Mein Medizinmann war begeistert.
    So lief das dahin, alle waren zufrieden, und meine größte Sorge war, wie ich meiner Frau beibringen konnte, dass ich mich auf meine alten Tage noch einmal in ein Motorrad verguckt hatte, eine sündhaft schöne Harley zu einem genauso sündhaften Preis. Schon seltsam, wie das geht mit dem Geld. Egal wie viel man davon hat, es findet sich immer etwas, für das es gerade nicht mehr reicht, oder?
    Anfang des Jahres stellte ich eine neue Friseuse ein, Therésa, die aus Haiti stammt und bis dahin bei dem Friseur neben dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt gearbeitet hatte, der aus Altersgründen zum Jahresende zumachte. Sie kannte sich mit diesen ganzen Kraushaarfrisuren aus, was nicht ganz unwichtig war bei den neuen Kunden, die den Weg bis in meinen Laden fanden, denn meine anderen Mädels hätten sich da schwergetan. Ich mich auch, anbei bemerkt. Aber dank Therésa war das kein Problem, ich konnte mich aufs Auffegen beschränken und dem Dottore den Tipp geben, seinen Prospekt auch auf Englisch zu drucken.
    Therésa kennen Sie ja mittlerweile auch. Ist ein fröhliches Naturell, wenn man bedenkt, was sie alles mitgemacht hat im Leben – Flucht als junges Mädchen, Vater ermordet; wenn sie von ihrer Kindheit auf Haiti erzählt, sträuben sich einem zuverlässig die Nackenhaare. Wahrscheinlich tut sie’s deshalb so selten. Aber sie hat sich gut durchgebracht, und entsprechend pfiffig ist sie.
    Kein Wunder, dass sie bemerkt hat, was ich trieb.
    Ich nahm sie beiseite, weil es unnötig war, dass die anderen was davon mitbekamen – nichts für ungut, sind alles ordentliche Mädels, aber da hätte ich es auch gleich in die Zeitung setzen können –, und erklärte ihr die Sache mit den Haaranalysen und dem Doktor und den Naturheilverfahren.
    Sie kriegte Augen so groß wie Suppentassen, als ich erwähnte, dass der Doktor unter anderem auch auf Haiti gewesen ist. Wobei ich das eigentlich nur erzählte, weil ich sie beruhigen wollte. »Voodoo«, sagte sie, und wenn ich mich recht entsinne, bebte ihre Unterlippe dabei. »Er macht Voodoo.«
    »Kann schon sein«, sagte ich ahnungslos, »so im Detail hat er es mir nicht erklärt …«
    Sie unterbrach mich. »Sie verstehen nicht. Voodoo ist keine Heilmethode. Voodoo ist Zauberei. Haitianische Zauberei.«
    Ich wollte so was sagen wie, dass so manches, was den Leuten früher wie Zauberei vorgekommen ist, im Lichte moderner Wissenschaft seine natürliche Erklärung findet, aber sie hatte in dem Moment etwas an sich, das mich verunsicherte. Also fragte ich, wie sie das meinte.
    »Wenn ein Voodoo-Zauberer etwas vom Körper eines anderen Menschen besitzt, Haare oder Fußnägel zum Beispiel, kann er Macht über diesen Menschen gewinnen«, sagte sie. Sie erklärte mir auch, wie das geht. Dazu fertigt der Zauberer eine Puppe an, die für den betreffenden Menschen steht. Sie muss demjenigen nicht mal ähneln, es geht nur darum, dass sie seine Haare oder Nägel oder was auch immer enthält, dass sie die für den jeweiligen Zauber richtige Farbe hat und dass man die Zauberformeln spricht, die die Verbindung herstellen. Diese Puppe heißt Ouanga. Um jemandem Schmerz zuzufügen – oder ihnzu töten –, muss der Ouanga schwarz sein. Wenn der Zauberer sich in Trance versetzt und dem Ouanga eine Nadel in, sagen wir, den Bauch sticht, dann kriegt der Betreffende Bauchkrämpfe, oder ihm wird kotzübel, je nachdem. Sticht er der Puppe in den Nacken, ist ein verspannter Rücken noch das Harmloseste. Und ein Stich ins Herz der Puppe tötet den Betreffenden.
    »Ihr Doktor heilt die Leute nicht, er verzaubert sie. Erst macht er ihnen die Schmerzen, und wenn sie zu ihm kommen und für eine Behandlung zahlen, löst er den Zauber wieder«, sagte sie.
    Ich musste daran denken, wie alles begonnen hatte. Dass die Leute sich über Schmerzen beklagt hatten, das war tatsächlich erst losgegangen, nachdem ich dem Doktor die ersten
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