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Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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wenden total abgeschnitten.
    »Kannst Du das Steuer drehen? fragte Johann Cornbutte den Untersteuermann.
    – Nein, Herr Kapitän; das Schiff gehorcht nicht mehr dem Ruder!
    – He Jungens! fürchtet Euch nicht, und stemmt Eure Stangen mit aller Macht gegen das Schanddeck!«
    Der Block hatte eine Höhe von etwa sechzig Fuß; so wie er auf die Brigg stürzte, mußte sie zermalmt werden. Ein Augenblick
     unbeschreiblicher Angst folgte nun, und trotz der Befehle ihres Kapitäns verließ die Mannschaft ihren Posten, um auf das Hinterdeck
     zu eilen.Aber als die kolossale Eismasse nur noch eine halbe Kabellänge von der Jeune-Hardie entfernt war, hörte man ein dumpfes Geräusch,
     eine förmliche Wasserhose fiel zunächst auf das Vorderdeck des Schiffes nieder, und dieses wurde auf dem Rücken einer ungeheuren
     Woge empor gehoben.
    Alle Matrosen schrieen laut auf vor Schreck, aber als sie nach dem Vorderdeck blickten, war der Block verschwunden, das Fahrwasser
     frei, und darüber hinaus sicherte eine weite, von den letzten Strahlen der Sonne beleuchtete Wasserfläche eine leichte Fahrt.
    »Alles in dieser Welt muß uns zum Besten dienen! rief Penellan; ziehen wir unsere Mars- und Focksegel auf!«
    Es hatte sich soeben ein in diesen Breiten sehr häufiges Phänomen ereignet. Wenn sich nämlich die schwimmenden Massen während
     des Thauens von einander ablösen, schwimmen sie in vollständigem Gleichgewicht. So wie sie aber in den Ocean gelangen, wo
     das Wasser verhältnißmäßig wärmer ist, werden sie alsbald in ihrer Basis unterminirt, der untere Theil schmilzt allmälig,
     und der Block wird durch die Stöße der übrigen Eisschollen immer mehr erschüttert. So kommt es, daß diese Massen plötzlich
     zusammenstürzen, sowie ihr Schwerpunkt verrückt wird. Wäre dies Mal der Zusammensturz des Eisberges nur zwei Minuten später
     erfolgt, so hätte die Brigg unter ihm begraben und von ihm zerschellt werden müssen.

Fünftes Capitel.
Die Insel Liverpool.
    Die Brigg schwamm jetzt in fast vollständig freier See, nur zeigte sich am Horizont ein weißlicher Glanz und verkündete dort
     unbewegliche Eisflächen.
    Johann Cornbutte steuerte fortwährend auf Cap Brewster zu und kam schon in Gegenden, die außerordentlich kalt sind, da die
     Sonnenstrahlen durch ihren sehr schrägen Fall nur äußerst schwach wirken.
    Am 3. August befand sich die Brigg unbeweglichen Eisschollen gegenüber, die unter einander zusammenhingen. Das Fahrwasser
     war oft nur eine Kabellänge breit, und die Jeune-Hardie mußte tausend Umwege machen, durch die sie zuweilen dem Winde gerade
     entgegen gebracht wurde.
    Penellan nahm sich mit väterlicher Sorge Mariens an; er veranlaßte sie, trotz der Kälte täglich zwei bis drei Stunden auf
     dem Verdeck zuzubringen, denn körperliche Bewegung war eine für ihre Gesundheit unumgängliche Bedingung.
    Mariens Muth wurde übrigens nicht schwächer; sie ermunterte sogar die Matrosen der Brigg durch ihre Worte, und die Verehrung
     der Mannschaft für sie steigerte sich mehr und mehr. André Vasling bemühte sich mehr um sie als je zuvor und nahm jede Gelegenheit
     wahr, um mit ihr eine Unterhaltung anzuknüpfen; das junge Mädchen nahm jedoch seine Zuvorkommenheit mit einer gewissen unwillkürlichenKälte auf, die vielleicht in einem ahnenden Gefühl ihren Grund hatte. Man kann sich leicht denken, daß die Zukunft weit mehr
     als die Gegenwart das Thema von André Vasling's Unterhaltungen war, und daß er kein Hehl daraus machte, wie wenig Hoffnung
     er für die Rettung der Schiffbrüchigen hege. Seiner Ansicht nach war ihr Untergang eine feststehende Thatsache, und er ließ
     oftmals durchblicken, daß Marie jetzt die Sorge für ihre Existenz in die Hände eines Andern legen dürfe.
    Zum großen Verdruß André Vasling's hatte jedoch Marie seine Andeutungen noch nicht verstanden, wahrscheinlich, weil diese
     Unterhaltungen immer nur sehr kurze Zeit währten. Penellan fand immer irgend einen Vorwand, um sie zu unterbrechen und die
     Wirkung der Reden André's durch Worte der Hoffnung null und nichtig zu machen.
    Marie blieb übrigens nicht unbeschäftigt. Nach den Rathschlägen des Untersteuermanns sorgte sie für ihre Winterkleider und
     mußte, um der Temperatur in diesen kalten Breiten entgegen gehen zu können, ihre Toilette einer totalen Umgestaltung unterwerfen.
     Sie machte sich eine Art Pelz-Beinkleid, dessen untere Ränder mit Robbenfell versehen waren; ihre enge Unterkleidung reichte
     nur
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