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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Körper ist? Ich habe gelacht, als ich das gesehen habe, und ich habe ihm Lucys Trauring vor die Augen gehalten. Nur einen Moment lang; das Alkaloid wirkt sehr schnell. Seine Züge verzerren sich in schmerzhaften Krämpfen; er streckt die Hände nach vorn, schwankt, und dann stürzt er mit einem heiseren Schrei schwer zu Boden. Ich drehe ihn mit dem Fuß um und lege meine Hand auf sein Herz. Da hat sich nichts mehr geregt. Er ist tot!
    Aus meiner Nase war die ganze Zeit Blut geströmt, aber ich hatte nicht darauf geachtet. Ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat, mit dem Blut auf die Wand zu schreiben. Vielleicht ein hämischer Einfall, um die Polizei auf die falsche Fährte zu locken; mein Herz war nämlich leicht und fröhlich. Ich habe mich an einen Deutschen erinnert, den man in New York gefunden hat, und über seinem Leichnam hatte jemand das Wort RACHE an die Wand geschrieben, und damals war in den Zeitungen gesagt worden, die Geheimgesellschaften müßten es getan haben. Ich habe mir gedacht, was den New Yorkern Kopfzerbrechen macht, macht auch den Londonern Kopfzerbrechen, also habe ich meinen Finger in mein eigenes Blut getaucht und das Wort auf eine passende Stelle geschrieben. Dann bin ich zu meiner Droschke gegangen und habe festgestellt, daß niemand in der Nähe und die Nacht noch immer sehr wild war. Ich war eine ganze Strecke gefahren, als ich die Hand in die Tasche gesteckt habe, wo ich immer Lucys Ring aufbewahre, und da bemerke ich, daß er nicht da ist. Ich bin wie vom Schlag getroffen, denn er ist das einzige Andenken, das ich von ihr habe. Ich denke mir, ich kann es verloren haben, als ich mich über Drebbers Leichnam beugte, also bin ich zurückgefahren, habe meine Droschke in einer Nebenstraße gelassen und bin ganz offen zum Haus gegangen – ich war nämlich bereit, alles zu wagen, bevor ich den Ring verliere. Als ich dort ankomme, laufe ich einem Polizisten direkt in die Arme, der gerade aus dem Haus kommt, und ich habe seinen Verdacht nur beschwichtigen können, indem ich so tue, als wäre ich hoffnungslos betrunken.
    So hat Enoch Drebber sein Ende gefunden. Alles, was mir noch zu tun blieb, war, mit Stangerson genau so zu verfahren und auf diese Weise John Ferriers Konto auszugleichen. Ich wußte ja, daß er in Hallidays Pension war, und da habe ich mich den ganzen Tag herumgetrieben, aber er ist nicht ein einziges Mal herausgekommen. Ich nehme an, er hat sich seinen Teil gedacht, als Drebber nicht erschienen ist. Er war ja schlau, dieser Stangerson, und immer auf der Hut. Wenn er aber geglaubt hat, er könnte mich loswerden, indem er im Haus bleibt, dann hat er sich sehr getäuscht. Ich habe bald herausgefunden, welches sein Schlafzimmerfenster war, und früh am nächsten Morgen habe ich es ausgenutzt, daß auf dem Weg hinter dem Hotel ein paar Leitern lagen, und so bin ich im Morgengrauen in sein Zimmer geklettert. Ich habe ihn geweckt und ihm gesagt, daß die Stunde gekommen ist, in der er sich für das Leben verantworten muß, das er vor so langer Zeit geraubt hat. Ich habe ihm Drebbers Tod beschrieben und ihm auch die Wahl zwischen den Pillen geboten. Statt die Chance zum Entkommen wahrzunehmen, die er damit hatte, ist er vom Bett aufgesprungen und mir an die Kehle gegangen. In Notwehr habe ich ihm das Messer ins Herz gestoßen. Es wäre ohnehin alles auf das gleiche hinausgelaufen; die Vorsehung hätte es niemals zugelassen, daß seine schuldige Hand etwas anderes als das Gift wählt.
    Ich habe nicht viel mehr zu sagen, und das ist auch gut; ich bin nämlich ziemlich am Ende. Ich bin noch einen Tag oder zwei mit der Droschke gefahren; dabei wollte ich bleiben, bis ich genug zusammen habe, um nach Amerika zurückfahren zu können. Ich war auf dem Standplatz, als ein abgerissener Junge gefragt hat, ob es einen Kutscher namens Jefferson Hope gibt, den nämlich ein Gentleman in 221 B, Baker Street, haben will. Ich bin hergekommen und habe nichts Böses gedacht, und das nächste, was ich weiß, ist, daß dieser junge Mann hier Handschellen um meine Gelenke gelegt hat und ich so sauber gefesselt bin, wie ich es sauberer nie im Leben gesehen habe. Das ist meine ganze Geschichte, Gentlemen. Sie können mich ruhig für einen Mörder halten; ich bin aber der Meinung, daß ich ebenso gut ein Diener der Gerechtigkeit bin wie Sie.«
    Die Erzählung des Mannes war so erregend und seine Haltung so beeindruckend gewesen, daß wir alle schweigend und wie gefesselt dagesessen hatten. Sogar die
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