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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite
Autoren: Alexander Kent
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starrte nur auf die Rudergasten, die das mächtige Rad im Leerlauf herumwirbelten.
    »Der Mistkerl hat uns mit seinem Buggeschütz die Ruderzüge weggeschossen!« keuchte Grubb wütend. »Wir treiben ab!« Und er zeigte auf die Fock.
    »Einige Mann nach achtern!« brüllte Bolitho. »Neue Leinen anschlagen, so schnell wie möglich!« Plowman holte bereits Leute von den nächsten Geschützen zusammen.
    Verzweifelt starrte Herrick auf die killenden Segel. »Wir müssen sofort Segel wegnehmen!«
    »Aye, Thomas.«
    Nur nicht an den Franzosen denken, der hinter ihnen herkam! Mit einem Glückstreffer hatte er das Steuer der
Lysande
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beschädigt; und jetzt, da sie langsam abtrieb, drehte der Wind sie quer und bot dem Feind ihr Heck. Genau wie damals die
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! Beinahe hätte Bolitho laut geflucht. Diesmal war keine
Lysander

da, die sie retten konnte.
    An Backbord und Steuerbord trieben, brennend oder schwer beschädigt, die französischen Versorgungsschiffe. Brueys’ Hauptflotte mochte reichlich Infanterie und bespannte Artillerie an Bord haben, aber kein einziges von den schweren Belagerungsgeschü tzen, die nun alle versenkt waren!
    Damals wie heute hatte sich die
Nicato
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herausgehalten. Das tat ein Mann, der so verbittert war, so besessen von seinem Haß, daß er lieber seine eigenen Landsleute sterben sah, als ihnen zu Hilfe zu kommen.
    Unten krachte es noch mehrmals; unter einem Chor von wilden Schreien kam die Großbramstenge der
Lysande
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splitternd durch den Rauch gestürzt und schleuderte Männer und Segel mit mächtigem Aufklatschen ins Meer.
    Matrosen rannten mit Äxten herzu, um sie zu kappen; Bolitho sah Saxby zu den Wanten rennen, einen neuen Kommodorestander wie eine Schärpe um den Leib gewickelt. »Sehen Sie, Sir«, schrie er, als er in die Webeleinen griff, »hab ich mir doch gedacht, daß ich heute noch einen extra brauchen würde!« Er lachte und weinte zugleich; seine Angst war unter den Schrecknissen verschwunden, die ihn umgaben. Später würde er, falls er am Leben blieb, um so schwerer daran zu tragen haben.
    Bolitho sah über ihn hinaus auf Marssegel und Galion des Franzosen, die an Backbord turmhoch über ihrem Heck standen. Immer noch zerhämmerten sie einander mit den Kanonen, und es gab tatsächlich noch Männer, die hurra schrien, wenn die
Lysander
einen Treffer anbrachte.
    Doch es hatte alles keinen Zweck mehr. Hilflos trieb die
Lys
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quer, durch die zerfetzten Segel strömte der Qualm, die Geschütze feuerten kaum noch, weil keine Bedienungen mehr vorhanden waren. Der wirbelnde Rauch färbte sich rot. Bolitho mußte sich irgendwo festhalten, denn die erste feindliche Kugel schmetterte in die Kampanje. Seesoldaten und Matrosen fielen tot oder sterbend auf seinen Weg. Leutnant Nepean ließ seinen Säbel fallen und stürzte, an seinem Blut erstickend. Leroux schrie nach seinem Se rgeanten, aber der meldete sich nicht mehr. Er saß am Boden und hielt sich den Leib, und seine Augen verglasten, während er versuchte, seinem Major zu antworten, wie er ihm immer geantwortet hatte.
    Allday riß seinen Entersäbel heraus und stellte sich vor Bolitho, um ihn mit seinem eigenen Körper zu schützen.
    »Noch eine Breitseite«, knirschte er, »und die versuchen, uns zu entern.« Er schob einen sterbenden Seesoldaten beiseite und deutete mit dem Entersäbel durch den Rauch. »Es gibt nur einen Mann, den ich heute lieber umbringen möchte als jeden Franzosen!«
    Mit steinernem Gesicht, die Hände auf dem Rücken, schritt Herrick vorbei. »Mr. Plowman sagt, gut zehn Minuten dauert es noch, Sir.«
    Es könnte ebensogut eine Stunde dauern, dachte Bolitho. Herrick wandte sich nach Allday um. »Und wer ist das?«
    »Dieser blutiggottverdammte Probyn, den meine ich!«
    Das französische Schiff war schon dicht an ihrem Heck. Was die Rohre hergeben wollten, feuerte der Franzose in die Kampanje und den unteren Rumpf der
Lysander
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und vom Bugspriet und der Vormarsrah schossen Scharfschützen, so schnell sie laden konnten, auf das Achterdeck der
Lysander.
    »Was ist mit den Versorgungschiffen, Thomas?« schrie Bolitho.
    Herrick zeigte die Zähne. »Sechs sind zerstört, und vielleicht ebenso viele manövrierunfähig.«
    Bolitho wandte sich um, denn soeben wurde ein Toter von der Kampanje weggezerrt: Moffitt, sein Schreiber, einen hellroten Fleck in dem dünnen grauen Haar, wo ein Splitter ihn getroffen hatte. Wie Gilchrists Vater hatte er das Elend der Schuldgefängnisse kennengelernt. Und jetzt war
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